Emmanuel Macron – der Henri Leconte der französischen Politik

Mit seinen Äußerungen hat der neue französische Präsident alle diejenigen beleidigt, die nicht bedingungslos auf seiner Seite stehen.

Seit gestern demonstrieren die Franzosen gegen die Politik ihres Präsidenten... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Irgendwie erinnert der neue französische Präsident Emmanuel Macron an den ehemaligen Tennisprofi Henri Leconte. Der hatte, nachdem er sang- und klanglos im Finale der French Open 1988 gegen den Schweden Mats Wilander eingegangen war, dem Publikum ein „Ich hoffe, ihr habt mein Spiel verstanden“ hingeworfen – und in der Tat hatte niemand diese Taktik verstanden, die darin bestand, in drei Sätzen glatt zu verlieren. Genauso verhält es sich heute mit Emmanuel Macron. Nur drei Monate nach dessen Amtsantritt verstehen ihn die Franzosen nicht mehr und umgekehrt stimmt das wohl auch.

Dass Macron es nun für nötig hielt, alle seine Landsleute zu beleidigen, die nicht bedingungslos seinem ziemlich unklaren Reformkurs folgen, dürfte das Verhältnis zwischen Macron und seinem Volk nicht unbedingt entspannen. „Faulenzer und Zyniker“ hatte er all diejenigen genannt, die seinen Kurs nicht unterstützen wollen – bei Zustimmungswerten von 37 % würde seine Aussage dann bedeuten, dass 63 % der Franzosen „Faulenzer und/oder Zyniker“ sind.

Dabei ist Macrons Reformkurs weiterhin nebulös. Wie seine geplanten Reformen aussehen sollen, ist unklar, doch der erste Vorgeschmack war die Absenkung des staatlichen Wohngelds um 5 € pro Monat – Macrons Politik fördert Unternehmen und Wohlhabende, verschärft aber die Situation der Geringverdiener und Armen. Die Idee dahinter ist die vage Hoffnung, dass die Unternehmen, sollte es ihnen denn besser gehen, Arbeitsplätze schaffen und somit die Konjunktur ankurbeln. Der frühere Wirtschaftsminister Macron sollte es aber eigentlich besser wissen. Denn die Hoffnung, dass Unternehmen, die mehr Gewinne machen, auch mehr Arbeitsplätze schaffen, ist sehr optimistisch – in der Regel freuen sich Unternehmer und Aktionäre über höhere Gewinne und stecken sich die Ausschüttungen in die Tasche.

Das neue Arbeitsgesetz, gegen das gestern in Frankreich zeitgleich 180 Demonstrationen stattfanden, dürfte die Nagelprobe für den jungen Präsidenten sein, dessen Umfragewerte in Rekordzeit in den Keller rutschen. Denn mit einem Arbeitsgesetz, das den Kündigungsschutz aushöhlt, Sozialpläne für Unternehmer schmackhaft macht und soziale Errungenschaften der letzten Jahrzehnte abschafft, wird Macron die Franzosen in ihrer Mehrheit kaum begeistern können.

Dazu wird es nun langsam Zeit, dass Macron aus dem Wahlkampfmodus herauskommt. Er ist gewählt worden und muss nun liefern – da reicht es nicht mehr, jede Woche zwei Reden zu halten, in denen er ankündigt, alles anders machen und riesige Reformen durchführen zu wollen, ohne dabei zu sagen, was er konkret vorhat und wie er es bewerkstelligen will.

Auf europäischer Ebene sieht es kaum anders aus. Abgesehen davon, dass Macron überall vollmundig erklärt, dass er Europe neustarten will, hat es bisher noch nicht gesagt, wie er sich das vorstellt. Seine ersten Amtshandlungen sprechen hingegen eine wenig erfreuliche Sprache. Zunächst verhinderte Macron die Einführung einer europaweiten Transaktionssteuer auf Spekulationsgeschäfte an der Börse, in der absurden Hoffnung, dass sich dann Finanzunternehmen aus der Londoner City in Paris ansiedeln könnten. Als nächstes verweigert sich Macron einem massiveren Vorgehen gegen den türkischen Präsidenten Erdogan, das sich Deutschland gewünscht hätte. Was dann soviel bedeutet, dass Macron momentan europäische Ansätze in der Praxis eher verhindert – da nützen dann auch die schönsten Sonntagsreden nichts.

Vielleicht sollten sich Macrons Berater dazu durchringen, ihrem Chef zu sagen, dass er inzwischen gewählt worden ist und dass er keine weiteren, schwammigen Versprechungen machen muss. Sondern dass es an der Zeit ist, mit dem Regieren zu beginnen. Und zwar nicht gegen die Interessen der Französinnen und Franzosen, sondern für sie. So ganz klar scheint das im Elysée-Palast noch nicht zu sein.

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