Emmanuels Rache

Die Klatsche für die Macron-Partei „Renaissance“ hatte sich im Vorfeld abgezeichnet. Jetzt, wo ihm 85 % der Franzosen das Vertrauen entzogen haben, wirft er das Land den Rechtsextremen in den Rachen.

Emmanuel I. hat das Parlement aufgelöst. Nur für seinen eigenen Rücktritt reichte der Mut dann doch nicht... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Es war zwar offiziell eine Europawahl, doch war es leider keine. Europa war die große Abwesende in einem selten schwachen Wahlkampf, sowohl in Frankreich wie in Deutschland, und Alleinherrscher Macron, dessen Partei gestern gerade mal auf 14,9 % der Stimmen kam, rächt sich nun an seinen Landsleuten, die offensichtlich seine nach eigenem Bekunden von göttlichen Eingebungen geprägte Politik nicht mehr mitmachen. Kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse löste Macron das Parlament auf und rief Neuwahlen aus, die unmittelbar vor den Olympischen Spielen stattfinden werden. Und somit stürzt Macron Frankreich in eine politische Krise, in ein politisches Chaos, mit dem er das Land den Rechtsextremen auf dem Silbertablett serviert. An diesem Präsidenten könnten sich die Psychologen Frankreichs abarbeiten.

Aber zunächst die Zahlen: Das rechtsextreme „Rassemblement National“ mit seinem Spitzenkandidaten Jordan Bardells kommt auf 31,7 %, die farblose Macron-Kandidatin Valérie Hayer auf 14,9 %, der Kandidat der PS / Place Publique (das war mal die Regierungspartei PS) Raffael Glucksmann erreicht 14;2 %, die linksextreme Manon Aubry liegt bei 9,4 %, die Konservativen LR mit François-Xavier Bellamy dümpeln bei 6,9 % und die Grünen erleben das gleiche Desaster wie in Deutschland – ihre Kandidatin Marie Toussaint kommt nur noch auf 5,5 %. Die ebenfalls rechtsextreme Partei Reconquête ! der Le Pen-Nichte Marion Maréchal schafft mit 5,47 % auch den Sprung ins Parlament. Da es in Frankreich die 5%-Hürde bei der Europawahl gibt, ziehen keine Kandidaten anderer Parteien ins nächste Europäische Parlament ein.

Doch nachdem diese Ergebnisse bekannt gegeben worden waren, holte Emmanuel Macron den Vorschlaghammer heraus, trat vor die Presse und verkündete, dass er das Parlament auflöst und Neuwahlen ausschreibt, bereits zum Ende Juni. Die wissenschaftliche Literatur beschreibt den „perversen Narzismus“ so, dass die betreffende Person das „Spielzeug“, das sich nicht wie erhofft verhält, eben kaputtmacht. Dass diese vorgezogenen Wahlen zu einer rechtsextremen Regierung führen werden, ist klar.

Aber was bezweckt dieser seltsame Präsident mit dieser Maßnahme? Da er dann doch nicht mutig genug war, um selbst zurückzutreten, wird er demnächst einen rechtsextremen Premierminister haben und da beabsichtigt er, diese „Cohabitation“ zu einem Flopp zu machen, damit die Franzosen bei der nächsten Wahl wieder brav die Kandidaten des gottgleichen Emmanuel wählen. Allerdings ist die Idee weitaus weniger göttlich-genial als Macron denkt. Denn die Rechtsextremen, einmal an der Macht, werden die „Macronie“ schnell vergessen machen, und Macron ist bereits heute Vergangenheit. Er weiß es nur noch nicht.

Und Europa? Europa spielte bei dieser Wahl überhaupt keine Rolle. In Frankreich, wie in anderen Ländern, handelte es sich um eine nationale Zwischenwahl, eine Gelegenheit, der amtierenden Regierung mitzuteilen, wie unzufrieden man mit ihr ist. Hier gibt es die nächste Parallele zwischen Frankreich und Deutschland – auch die Kanzlerpartei SPD kam nur auf 14 %, wobei Neuwahlen in Deutschland ein Jahr vor dem nächsten regulären Wahltermin wenig Sinn machen.

Es wird immer deutlicher, dass Emmanuel Macron einen Platz in den Geschichtsbüchern finden wird. Allerdings nicht, wie er gehofft hatte, als Organisator großer Sportveranstaltungen und als Kriegsherr, sondern als der schlechteste Präsident der V. Republik, der Frankreich an den Abgrund einer noch nicht zu überschauenden Krise geführt hat. Seine Hoffnung, 2027 als strahlender Held wieder auf die Siegerstraße zu kommen, kann er vergessen. Der Liebhaber großer Gesten hat gestern Abend leider auf die einzige Geste verzichtet, die sich 85 % der Franzosen gewünscht hätten – seinen eigenen Rücktritt. Und so macht sich jetzt auch Frankreich auf den Weg zur „République de Weimar 2.0“.

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