Endlich!

Mehr als 13 Jahre lang verfolgten die USA den Whistleblower Julian Assange. Denn der hatte die Frechheit besessen, Kriegsverbrechen der US Army öffentlich zu machen.

Schnick schnack schnock - Papier, und sei es nur in Form von Protestzetteln aus dem Parlamentskopierer, gewinnt letztlich doch gegen Stein, und sei es in der faustgroßen Form eines versteinerten Herzens. Medienwirksame Kleinstdemo von EP-Abgeordneten zur Freilassung Julian Assanges im Europaparlament im Juni 2023. Foto: © Michael Magercord

(KL) – In Zeiten, in denen gute Nachrichten Mangelware sind, schlug diese Meldung richtig ein – Julian Assange wurde bei Nacht und Nebel aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bei London entlassen und sofort aus Großbritannien ausgeflogen. Bei einem Zwischenstopp auf den amerikanischen Mariannen-Inseln im Pazifik, wo er sich laut des Deals mit den US-Behörden in einem Anklagepunkt („Verschwörung zum Erhalt und der Verbreitung von als geheim eingestuften Dokumenten der Verteidigung“) schuldig bekennen muss, woraufhin das amerikanische Gericht ihn zu einer Strafe verurteilt, die er bereits abgesessen hat, kann Julian Assange endlich in seine Heimat Australien zurückkehren. Es wurde aber auch Zeit.

Vermutlich balgt man sich in Hollywood bereits um die Filmrechte an der Assange-Saga, die es tatsächlich in sich hat. Nach der Veröffentlichung von Dokumenten und Videos, die amerikanische Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan dokumentierten, kam der falsche Vorwurf einer Vergewaltigung in Schweden (der nach acht Jahren still und heimlich fallengelassen wurde), acht Jahre Asyl in der Botschaft Ecuadors in London, seine Festnahme nach einem Regierungswechsel in Ecuador, CIA-Pläne zur Entführung oder gar Ermordung Assanges, Inhaftierung im Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh bei London, ein politischer Prozess, der eine Schande für jeden Rechtsstaat wäre, das langjährige Schweigen all derer, die Druck auf London und Washington hätten machen können und nun, ebenso unglaublich, seine Freilassung.

So groß die Freude über die Freilassung von Julian Assange ist, so wichtig ist es, das Schweigen Europas zu analysieren und Dinge so zu verändern, dass sich ein Fall Assange nicht wiederholen kann. Denn man muss festhalten, dass das „Verbrechen“ Assanges darin bestand, die Wahrheit gesagt zu haben. Seine Veröffentlichungen wurden nie von den USA dementiert, dazu war die Beweiskraft der von Assange veröffentlichten Dokumente zu groß.

Für Fälle wie diesen oder auch von Edward Snowden, der ausgerechnet in Russland Asyl erhielt, braucht Europa ein „Europäisches Asyl“. Die EU muss sich selbst in die Lage versetzen, zu Unrecht Verfolgte zu schützen, anstatt wegzuschauen, weil die Verbrecher im Westen sitzen. In den 13 Jahren der Freiheitsberaubung Assanges haben zahlreiche auf diesen Skandal angesprochene Politiker achselzuckend erklärt, es gäbe nun mal leider kein europäisches Asyl und deswegen könne man nichts machen. Ansonsten hüllten sich Brüssel, Berlin, Paris und die anderen in peinliches Schweigen, anstatt in erster Linie Großbritannien unter Druck zu setzen, Assange freizulassen. Doch in den genannten Hauptstädten zieht man lieber den Kopf ein, als sich mit Washington oder London zu so einer fundamentalen Frage anzulegen, bei der es um nicht weniger als den Schutz der Pressefreiheit und damit der Demokratie ging.

Dass sich die USA nun auf einen Deal eingelassen haben, bei dem sie nicht einmal das Gesicht verlieren, ist eine gute Sache. Aber dennoch ist der Fall Assange eine Warnung an alle, die in den Besitz von Dokumenten kommen, die Regierungen belasten. Trotz der Freilassung Assanges, über die man nur jubeln kann, ist die Pressefreiheit nach wie vor bedroht und die Tatsache, dass ganz Europa gerade weit, weit nach rechts rutscht, ist in diesem Zusammenhang wenig beruhigend. Aber erst einmal wünschen wir Julian Assange alles Gute in der wiedergefundenen Freiheit, rasche Genesung und dass er das Trauma der Freiheitsberaubung so schnell wie möglich überwindet. Welcome back, Julian!

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