Entwaffnende Ehrlichkeit

Thierry Breton ist der neue französische EU-Kommissar und einer der bedeutenden Vertreter des globalisierten Großkapitals. Fast hätten wir gedacht, dass die EU-Kommission für die Menschen arbeitet...

Thierry Breton hat gut lachen - als EU-Kommissar wird er dafür sorgen können, dass seine reichen Freunde noch ein wenig reicher werden. Foto: Copyleft / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es ist schon sehr ehrlich vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dass er nach dem gescheiterten Versuch, die als Ministerin in Frankreich aufgrund verschiedener Skandale nicht mehr tragbare Sylvie Goulard in der EU-Kommission unterzubringen, nun einen Top-Manager als EU-Kommissar berufen hat, dessen Nominierung sogar die Zustimmung des EU-Parlaments erhalten hat. Mit der Berufung von Thierry Breton stärkt Macron die Rolle der europäischen Institutionen als reine Erfüllungsgehilfen des internationalen Big Business – bevor irgendjemand auf die abwegige Idee kommen könnte, es ginge in Brüssel um die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer.

In Deutschland ist Thierry Breton weitgehend unbekannt, doch es lohnt sich einen Blick darauf zu werfen, wer künftig das wichtige Ressort „Industriepolitik, Binnenmarkt, Digitales, Verteidigung und Raumfahrt“ leiten wird. Der eine oder andere mag den Namen schon einmal gehört haben, entweder in seiner Zeit als Finanzminister Frankreichs (2005 bis 2007) oder aber auch im Zusammenhang mit der Übernahme der Siemens IT Solutions and Services GmbH durch die Atos-Gruppe, die dadurch zum größten europäischen IT-Service-Anbietern wurde.

Die Liste der international operierenden Unternehmen, die Thierry Breton geleitet hat, ist beeindruckend. Ob der frühere EDV-Riese Bull, die Gruppe Thomson oder auch France Telecom, wo immer er auftauchte, rationalisierte er, was das Zeug hielt, übernahm Konkurrenten und schuf riesige Konzerne. Dazu saß er in den Vorständen des Versicherungsgiganten AXA, der französischen Post, der Dexia-Gruppe, von Rhodia, Schneider Electronic, dem Mobilsfunkriesen Orange und heute noch sitzt er im Verwaltungsrat der international operierenden Carrefour-Supermarktkette. Wenn man das Ressort anschaut, das Breton künftig leiten wird, ist der Mann der fleischgewordene Interessenskonflikt.

Seine Berufung durch Emmanuel Macron, abgenickt vom Europäischen Parlament, ist ein nettes Dankeschön dafür, dass der frühere Konservative Breton rechtzeitig die Seiten gewechselt und Emmanuel Macron im Wahlkampf 2017 unterstützt hatte. Eine Hand wäscht die andere – das war zwar schon immer so, nur dass sich heute niemand mehr die Mühe macht, das zu verbergen.

Eine der Spezialitäten von Thierry Breton ist die Privatisierung öffentlicher Unternehmen, wie beispielsweise der France Telecom oder auch der französischen Autobahnen. Letztere sind eine Lizenz zum Gelddrucken und die sprudelnden Einnahmen sind natürlich bei privaten Investoren viel besser aufgehoben als im Haushalt des Staats.

Durch die Berufung von Thierry Breton zeigt die EU-Kommission, die nun irgendwann mal ihren Dienst antreten wird, in welche Richtung Europa gehen will – und das ist die Richtung des großen, internationalen Kapitals. Aus dem Credo der „sozialen Marktwirtschaft“ wird man künftig das störende Adjektiv „sozial“ getrost herausstreichen dürfen. Thierry Breton steht für das langsam auslaufende Zeitalter des liberalen Wild-West-Kapitalismus – ein Fels in der Brandung, wenn es darum geht, Aktionäre reicher zu machen.

Wenngleich diese Personalie in den Chefetagen des Big Business die Champagnerkorken hat knallen lassen, so ist sie für Europa nicht so richtig gut. Denn die Nachricht, die Frankreich und die EU-Kommission an die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer sendet, ist klar: „Solange es uns noch gibt, werden wir dafür sorgen, dass die Reichen reicher werden, egal, welches Opfer dafür von den Ärmeren zu erbringen ist.“

Damit tragen die neoliberalen Kräfte Europas noch ein wenig mehr dazu bei, dass das institutionelle Europa weiter seine Daseinsberechtigung verliert. Denn der eigentliche Sinn der EU liegt nicht darin, die 0,1 % der Superreichen weiter mit Geld zu überhäufen, sondern für vernünftige Lebensbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger Europas zu sorgen. Doch das ist nur die Theorie, die Praxis will, dass sich heute niemand mehr versteckt, der die EU als Selbstbedienungsladen für das internationale Großkapital benutzt. Wenn nach dem „Brexit“ weitere EU-Mitgliedsstaaten das Handtuch werfen, dann darf sich eigentlich niemand wundern. Der Neoliberalismus und die Endphase des Hardcore-Kapitalismus werden dazu beitragen, dass es in absehbarer Zeit keine sozialen Unruhen, sondern massive Klassenkämpfe in Europa geben wird. Und herzlichen Dank ans Europäische Parlament, das diese Berufung abgenickt hat. Damit sich ja nichts zum Besseren in Europa ändert.

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