Er liegt ja gar nicht tot im Graben!

Heute ist nicht nur Halloween, sondern auch der xte Brexit-Tag. Eigentlich wollte der britische Premierminister Boris Johnson heute tot im Graben liegen. Wieder ein gebrochenes Versprechen.

Sollte dieser Mann heute Abend an Ihrer Tür klingeln und "Trick or Treat" sagen - geben Sie ihm nichts... Foto: DonkeyHotey / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – „Wenn wir am 31. Oktober 2019 noch in der EU sind, will ich lieber tot in einem Graben liegen“, hatte Boris Johnson vor einigen Wochen im britischen Parlament verkündet. Doch wie so häufig hält der britische Regierungschef auch dieses Mal ein Versprechen nicht. Großbritannien wird noch eine Weile in der EU bleiben.

Großbritannien hat entschieden – Neuwahlen am 12. Dezember 2019. Somit wird am Freitag, den 13. Dezember, der neue Regierungschef des Vereinten Königreichs verkündet werden. Wenn das mal kein schlechtes Omen ist. Und danach? Danach ist erst einmal Weihnachten, selbst in Großbritannien. Zum neuen Jahr stellen wir dann die Uhren auf Null und das ganze Brexit-Drama kann von vorne anfangen.

Die nun durchgeboxten Neuwahlen haben etwas von einer Übersprungshandlung. Da man sich auf so gar nichts zum Thema Brexit verständigen kann, wählt man eben ein neues Parlament. Doch egal, wie diese Wahl ausgeht, sie wird keine unmittelbare Auswirkung auf den Brexit haben.

Sollte Boris Johnson gestärkt und als Sieger aus der Wahl hervorgehen (die letzten Jahre haben gezeigt, dass man den britischen Wählern alles, aber auch wirklich alles zutrauen kann…), stünden wir genau da, wo wir heute stehen. Vor einem planlosen Brexit mit üblen Folgen für Wirtschaft und politisches Standing der Briten – am „Yellowhammer-Report“, der die unmittelbaren Konsequenzen des Brexit aufzeigt, ändern auch Neuwahlen nichts.

Sollte Labour die Wahl gewinnen, stünde Großbritannien nicht viel besser da. Denn Labour wird von Jeremy Corbyn angeführt, der dem Brexit eher positiv gegenüber steht und dessen einzige politische Ambition das Amt des Regierungschefs ist. Wofür Labour steht, ist unklar. Teile der Partei wollen einen Brexit mit Vertrag, Teile der Partei wollen ein zweites Referendum. Kurz – Labour hat als Partei keine eindeutige Position zum Brexit und deswegen wäre Labour eine Art Wundertüte für die Wählerinnen und Wähler.

Ob die Liberaldemokraten, die sich massiv gegen den Brexit engagieren, nach einem so kurzen Wahlkampf durchsetzen können, ist mehr als fraglich – allerdings wären sie die glaubwürdigste Alternative für all diejenigen, die gegen den Brexit sind.

Doch das britische Problem geht durch die Mitte der britischen Gesellschaft – man kann wählen wie und was man will, es wird keine eindeutige Mehrheit für oder gegen den Brexit geben. Zeigen heute die Umfragen, dass eine Mehrheit der Briten gegen den Ausstieg aus der EU sind, kann sich das schon morgen wieder ändern. Die Briten haben sich in diesem so unglaublichen Prozess festgefahren und nach wie vor basiert alles, was auf der Insel passiert, auf einem Referendum aus dem Jahr 2016. Doch dieses Referendum, das die Tories nach wie vor als den ultimativen Ausdruck des Willens der Briten betrachten, fand auf der Grundlage von Falschinformationen, Manipulationen und offenen Lügen statt – nach wie vor ist unverständlich, wie man diese Farce eines Referendums als Grundlage für die Zukunft dieses Landes betrachten kann.

Die EU ist nett und spielt das britische Spiel mit. Man bittet die Briten sogar, einen EU-Kommissar zu benennen, da die ganze Geschichte ja wohl doch etwas länger dauern wird. Und natürlich können die Briten so viele Verlängerungen haben, wie sie wollen. Und natürlich zahlen wir gerne die satten Gehälter britischer EU-Parlamentarier und EU-Funktionäre. Was soll Brüssel auch anderes tun? Die Situation, die von den Briten geschaffen wurde, ist in den Europäischen Verträgen nicht vorgesehen. Man kann den Briten rechtlich nicht einfach den Stuhl vor die Tür stellen, weil diese es einfach nicht schaffen, den Absprung aus der EU zu finden.

Neuwahlen am 12. Dezember. In der Weihnachtsvorfreude werden die Briten also zu entscheiden haben, wessen Lügen sie mehr Glauben schenken wollen. Boris Johnson, Nigel Farage und den anderen, die das Paradies in der Isolation versprechen? Jeremy Corbyn und seinen nicht existenten Plänen?

Die Geschichte wird zu einem Running Gag und sollte heute Abend ein strohblonder Brite an Ihrer Tür klingeln und „Trick or Treat“ sagen, dann geben sie ihm bitte nichts…

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