Er wäre so gerne Mr. Europa…

Gestern war Emmanuel Macron in Straßburg, um die neue Auflage des „Contrat Triennal“ zu unterzeichnen. Und um sich als Muster-Europäer zu präsentieren.

Sorgenvoll blickte Emmanuel Macron gestern in Straßburg der zu erwartenden Klatsche am 9. Juni entgegen. Foto: © Nicolas Rosès

(KL) – Es ist wie ein Déjà Vu. Genau wie bei der letzten Europawahl, bei der Macron die ziemlich farblose Europaministerin Nathalie Loiseau zur Spitzenkandidatin gemacht hatte, nur um ihr auf der Zielgeraden das Heft des Handelns wieder aus der Hand zu nehmen, hat er dieses Mal die weitestgehend unbekannte Valérie Hayer als Spitzenkandidatin ausgewählt, die gerade in den Umfragen noch stärker sinkt als damals Nathalie Loiseau. Folglich greift nun Macron wieder selber in den Wahlkampf ein, den er wieder mit einer ewig langen Rede in der Pariser Sorbonne begann, in der er, Ausnahme Ukraine-Krieg, mehr oder weniger die gleichen Dinge wie beim letzten Mal versprach, jede Menge leerer Slogans zum Besten gab und sich in seiner eigenen Großartigkeit sonnte. Doch bejubelt wird er, außer von sich selbst, nur noch von der französischen Mainstream-Presse, die als „Presse présidentielle“ organisiert ist und deren Aufgabe es ist, dem Präsidenten auch dann Beifall zu klatschen, wenn vier von fünf Franzosen die leeren Worthülsen Macrons längst durchschaut haben.

Doch was so aussieht wie ein „Remake“ der Europa-Kampagne 2019, ist in Wahrheit etwas ganz anderes. Hatte Macron 2019 noch eine Mehrheit der Franzosen hinter sich, hat er 2024 nur noch die Zustimmung von weniger als einem von fünf Franzosen und aus der „präsidialen Mehrheit“, von der Macron so gerne spricht, ist eine „präsidiale Minderheit“ geworden, die bei der Europawahl am 9. Juni mit einer deftigen Klatsche rechnen muss, die das endgültige Ende der Macronie bei den Wahlen 2027 einläuten wird. Die „Präsidenten-Presse“ bleibt tapfer an Macrons Seite – man stelle sich vor, es gäbe in Berlin eine „Kanzler-Presse“, die im Gegenzug für exklusive Informationen das Hohelied von Olaf Scholz singen muss und die, wenn sie das nicht tut, bei den Behörden antanzen und sich erklären muss. Undenkbar – in Frankreichs gleichgeschalteter Medienlandschaft eine triste Realität. Und natürlich geht es auch um Geld, denn die „Präsidenten-Presse“ wird generös mit Subventionen bedacht.

Die beiden Reden vor der Sorbonne, eine vor sieben Jahren, eine vor wenigen Tagen, waren sich sehr ähnlich. Mehr Einheit, mehr gemeinsame Kultur, mehr gemeinsame Verteidigung, mehr gemeinsame Innovation – und das waren damals auch schon die Forderungen Macrons, die er sogar ganzseitig in den deutschen Tageszeitungen drucken ließ, damit die Deutschen merken, was für ein großer Europäer er doch ist. Das nahmen ihm damals noch viele ab, doch im Laufe der Jahre hat Macron gezeigt, dass er leider nur gut im Ankündigen von Dingen ist, die dann nicht umgesetzt werden. Kein Wunder, dass seine Slogans heute nicht einmal mehr die Franzosen hinter dem Ofen vorlocken.

Dass er nebenbei auch inzwischen bei allen Wahlen seine Spitzenkandidatinnen verheizt, wen kümmert’s? Nur wird Macron dieses Mal nicht das Ruder herumreißen und seine Partei „Renaissance“, die heute in den Umfragen bei 16 % steht, ist bereits auf dem Weg in die politische Bedeutungslosigkeit.

Außer der Unterzeichnung des „Contrat Triénnal“, der der Stadt Straßburg immerhin fast 200 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren für die Kosten der Präsenz von insgesamt 27 europäischen Institutionen bringt (die Stadt und die Eurometropole müssen für diesen Sonderhaushalt selbst etwas mehr als 100 Millionen Euro aufbringen, womit sich das Volumen dieses Vertrags auf 300 Millionen Euro beläuft), schaffte es Macron, so ziemlich jeden Fettnapf zu treffen, der ihn im Elsass erwartete. So gab es gleich eine Absage für diejenigen, die seit Jahren hoffen, dass das Elsass die Region Grand Est verlassen und wieder als eigenständige Region existieren kann, und das war nun genau nicht, was die lokalen Honoratioren hören wollten.

Insgesamt macht Macron einen ganz anderen Eindruck als noch vor Jahren, als er wie ein Sunnyboy ins Elsass reiste. Heute spürt man, dass auch Macron weiß, dass seine politische Götterdämmerung längst begonnen hat. Da nützt es wenig, wenn man sich selbst feiert und was für Macron besonders belastend sein muss, ist dass er auch auf dem internationalen Parkett inzwischen fast alle Glaubwürdigkeit und Bedeutung verloren hat. Seine heimliche Hoffnung, einen hohen Posten in der europäischen Politik zu bekommen, wird er wohl vergessen müssen, denn auch im Ausland hat man mitbekommen, wie amateurhaft Frankreich seit 2017 gemanagt wird.

Über Macrons Besuch im Elsass haben sich nur die lokalen Würdenträger gefreut, die in den zweifelhaften Genuss kamen, mit dem Präsidenten Selfies machen zu können. Doch schon bald werden sie erklären müssen, warum sie sich bei diesem Präsidenten angebiedert haben, den die Franzosen bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit vom Hof jagen werden. Na ja, immerhin hat er einen netten Ausflug ins Elsass gehabt. Wo viele nur auf den 9. Juni warten, um ihm und seiner Truppe einen saftigen Denkzettel zu verpassen.

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