Erdbeben im Olymp

Der französischen Regierung laufen die Minister davon. Und zwar ausgerechnet diejenigen, die aus der Zivilgesellschaft in die Regierung geholt wurden.

Das war vor ihrem Amtsantritt als Sportministerin - da strahlte Laura Flessel noch... Foto: © Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons / CC-BY 2.5

(KL) – Erst Umweltminister Nicolas Hulot, jetzt Sportministerin Laura Flessel. Premierminister Edouard Philippe und Präsident Emmanuel “Jupiter” Macron müssen zusehen, wie der Olymp der französischen Regierung durch Rücktritte erschüttert wird. Zwar wählte die frühere Fechtolympiasiegerin Laura Flessel deutlich zahmere Worte als Nicolas Hulot, um ihren Rücktritt zu erklären, doch wenn man genau hinhörte, dann waren ihre Aussagen genauso vernichtend wie die von Nicolas Hulot.

Ihr Rücktritt erfolge aus „persönlichen Gründen“, sagte Laura Flessel, um dann zu präzisieren, dass sie sich fortan wieder um Projekte kümmern will, die sich mit „dem Menschen, der Solidarität und der internationalen Zusammenarbeit“ beschäftigen. Was im Umkehrschluss nichts anderes bedeutet, dass sie genau das eben nicht in Ausübung ihres Ministeramts tun konnte. Gescheitert dürfte Laura Flessel an den mächtigen Verbandsbossen sein, wie dem Chef des Nationalen Olympischen Komitees CNOSF Denis Masseglia, mit dem sie deutliche Meinungsverschiedenheiten hatte.

Auffallend ist, dass es sich bei Nicolas Hulot und Laura Flessel um zwei Minister handelt, die aus der Zivilgesellschaft ausgewählt worden waren und deren Anwesenheit im Kabinett zeigen sollte, wie offen die neue Regierung für diese Zivilgesellschaft ist. Dass beide Minister nach knapp einem Jahr das Handtuch werfen, entnervt davon, dass ihr Handlungsspielraum von politischen Interessen und externen Interessensvertretern eingeengt wurde, spricht Bände.

Natürlich haben Emmanuel Macron und Edouard Philippe schnell reagiert. Das Umweltministerium übernimmt Parlamentspräsident François de Rugy, der sich nach seiner erfolglosen Kandidatur bei den Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl der Linken nicht wie angekündigt dem sozialistischen Kandidaten Benoît Hamon, sondern Emmanuel Macron angeschlossen hatte. Wir leben nun mal in Zeiten, in denen es sich lohnt, anderen einen Dolch in den Rücken zu rammen. Das Sportministerium übernimmt eine andere Spitzensportlerin, die Schwimmerin Roxana Maracineanu aus Mulhouse, die 2000 in Sydney die Silbermedaille über 200 Meter Rücken gewann.

Doch die schnelle Neubesetzung der beiden Ministerposten wird die Diskussion über die Rücktrittsgründe von Hulot und Flessel nicht unterbinden können. Zwei Minister aus der Zivilgesellschaft, die aus Frustration über einen Politikbetrieb, in dem Entscheidungen nach wie vor hinter verschlossenen Türen und nicht unbedingt im Interesse der Allgemeinheit getroffen werden, das ist ein Schock.

Der Olymp wackelt und Jupiter ist angeschlagen. In den Umfragen ist die Zustimmung der Franzosen zu seiner Amtsführung auf 31 % gesunken, nach einem Jahr der neuen Regierung ist die Ernüchterung in Frankreich groß. Die Unfähigkeit der Politik, eine tragfähige Brücke in die Zivilgesellschaft zu schlagen, ist enttäuschend. Nicht die Personen sollten ausgetauscht werden, sondern bestimmte Funktionsweisen und Einflussnahmen nicht gewählter Interessensvertreter. Aber noch hält sich das „alte Regime“ an der Macht. Dank Emmanuel Macron.

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