Erdoganrepublik Deutschland

Einmal mehr hat sich Deutschland vom türkischen Präsidialdiktator am Nasenring durch die Manege führen lassen. Warum eigentlich?

Sind es die "langjährigen guten Beziehungen", die Deutschland vor der Türkei einknicken lassen? Foto: Büyük Türk Tarihi ansiklopedisi / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Es hatte schon etwas Lächerliches, wie die die deutschen Politiker nach ihren Kurztreffen mit dem türkischen Präsidialdiktator Recep Tayyip Erdogan vor die Presse sprangen und eilfertig erklärten, sie hätten dem Mann aber ganz schön die Meinung gegeigt. Haben sie aber nicht. Wie immer ist die deutsche Politik kollektiv vor Erdogan eingeknickt, hat genau das getan, was Erdogan wollte und langsam wird die Frage interessant, was das eigentlich für „Interessen“ sind, die uns dazu veranlassen, den schlimmen Finger vom Bosporus derartig zu hofieren.

Warum muss man einen Mann nach Deutschland einladen, dessen Ziel es ist, seine zahlreichen, in Deutschland lebenden Landsleute gegen ihr Gastland aufzustacheln, was Erdogan bei der Eröffnung der Ditib-Moschee in Köln ausgiebig tat, wobei er wie üblich Deutschland als ein Land beschimpfte, das „den Terrorismus fördert“? Warum muss man ein Staatsbankett für jemanden ausrichten, der systematisch die Menschenrechte verletzt? Warum muss man sich vor einem Mann verneigen, der Menschen wahllos inhaftiert, drangsaliert und ihrer Menschenrechte beraubt?

Ach ja, das sind die „deutschen Interessen“. Könnte die vielleicht mal jemand etwas genauer definieren? Ist es der jämmerliche und höchst zynische „Flüchtlingsdeal“ mit der Türkei, der, wenn man mal genauer hinschaut, überhaupt nicht funktioniert, aber dennoch EU-Milliarden kostet? Sind es die Interessen der deutschen Wirtschaft, die einfach nur Geschäfte machen will, und wenn es mit dem Teufel persönlich ist? Sind es die inzwischen längst überholten NATO-Interessen aufgrund der geographischen Lage der Türkei an der Schnittstelle zu den schlimmsten Konflikten der aktuellen Zeit? Könnte das mal jemand klarstellen?

Und wieso lässt man Erdogan in Köln wie einen Eroberer seine Diaspora gegen ihr Gastland aufstacheln, den Konflikt seines Landes mit den Kurden nach Deutschland tragen? Das reine Wegbleiben der deutschen Politik bei der Eröffnung der Moschee in Köln war ein erneuter Fehler – diesem Mann darf man nicht ganze Städte und Landstriche in Deutschland einfach überlassen! Aber genau das ist es, was die Merkels, Steinmeiers, Laschets & Co. getan haben.

Angela Merkel war fleißige Wahlkampfhelferin für Erdogan bei dessen schleichender Übernahme der alleinigen Macht. Vor der türkischen Volksabstimmung zum Ermächtigungsgesetz, mit dem sich Erdogan eine diktatorische Machtfülle sicherte, überschüttete Angela Merkel Erdogan mit EU-Milliarden. Und jetzt macht die deutsche Politik diesen Mann auf internationaler Ebene wieder hoffähig, statt einmal, ein einziges Mal, eine klare Kante zu zeigen.

In türkischen Gefängnissen sitzen Journalisten, Künstler, Intellektuelle, Beamte und einfache Bürgerinnen und Bürger, denen abstruse Terrorismus-Vorwürfe gemacht werden. Erdogans Haltung zum Islamischen Staat ist alles andere als klar, die Rolle der Türkei im Syrien-Konflikt ist rätselhaft und aggressiv und der Mann führt seit Jahren einen brutalen Vernichtungskrieg gegen die Kurden (die der Westen nur so lange nicht fallenließ, wie diese an unserer Stelle den Islamischen Staat bekämpften) – die einzig richtige Haltung wäre es gewesen, diesen Mann zur „Persona non grata“ zu erklären und ihn schlicht nicht einreisen zu lassen.

Das Signal, das die deutsche Regierung an diesem Wochenende in die Welt sandte, ist eindeutig: „Wir handeln mit jedem, egal ob Diktator, Verletzer von Menschenrechten oder Terrorist, solange wir dabei Geld verdienen können“. Das passt zwar wunderbar in eine Zeit, in der überflüssige Dinge wie „Werte“ ohnehin das „Big Business“ stören, ist aber ein weiterer Schritt auf dem Weg zur vertrauensvollen Übergabe des Landes an die Extremisten. Vielleicht wird die deutsche Politik eines Tages aufwachen und merken, dass sie selbst den Extremismus in Deutschland groß gemacht hat. Leider wird dieses Aufwachen zu spät erfolgen. Und niemand sollte sich mehr wundern, dass „draußen im Lande“ niemand mehr versteht, was Berlin eigentlich macht. Werden eigentlich die Umfragen, die das rechtsextreme Pack der AfD bereits als zweitstärkste politische Kraft in Deutschland ausweisen, nicht in Berlin veröffentlicht? Es gibt Tage, da könnte man am eigenen Land verzweifeln…

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