Erinnern ist gut, Handeln ist besser

Die Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz waren bewegend. Das ist gut und richtig. Doch reicht das Erinnern nicht aus.

Der Neo-Faschismus wird nicht von selbst verschwinden - wir müssen ihn bekämpfen. Foto: kallerna / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – In den letzten Tagen fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz statt, die Medien berichteten, es wurden Dokumentarfilme gezeigt und das Thema „Auschwitz“ war in aller Munde. Es herrschte große Einigkeit: Nie wieder! Doch damit „Nie wieder!“ auch wirklich „Nie wieder!“ wird, muss nun endlich gehandelt werden, gegen Neo-Nationalismus, Neo-Faschismus, Antisemitismus und den wachsenden Hass in der Gesellschaft.

„Nie wieder!“ ist angesichts dessen, was sich in der Gesellschaft und weltweit abspielt, ein frommer Wunsch. So wichtig und würdevoll die Gedächtnisarbeit ist, so muss man feststellen, dass es nicht 5 vor 12, sondern schon längst Nachmittag ist. Außenminister Heiko Maas erklärte neulich, dass eine Studie ergeben habe, dass sich rund die Hälfte der in Deutschland lebenden Juden überlegen, ob sie in Deutschland bleiben können oder doch lieber „rechtzeitig“ auswandern. Sind wir schon wieder so weit? Ja, wir sind schon wieder so weit – die Übergriffe auf jüdische Mitbürger häufen sich, nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo und die Hetzreden im Internet werden immer unverfrorener.

In fast allen europäischen Ländern verzeichnen neonationalistische Parteien Wahlerfolge, es wird gezielt der Hass auf alles geschürt, was nicht „reinrassig“ ist, und auch die Sprache dieser ultrarechten Parteien verschärft sich immer weiter. Rechtsextremer Terror wurde lange nicht wahrgenommen und die rechtsextremen Parteien und deren Straßenorganisationen konnten sich in unseren europäischen Ländern einnisten. Die Verfolgung rechtsextremer Straftaten war jahrelang mehr als nachlässig – so wurden im Fall der NSU-Mordserie zunächst mehrere Jahre lang die Täter im Umfeld der Opfer (!) gesucht, bevor sich die Behörden bequemten, auch einmal in Richtung rechtsextremer Terroristen zu ermitteln, dabei war der Verfassungsschutz informiert, aus welcher Richtung diese Straftaten verübt wurden.

„Nie wieder!“? Wir müssen heute sehen, dass die Bestie 1945 nicht erlegt wurde, das kranke Gedankengut der Faschisten hat überlebt und kommt heute wieder aus den Löchern gekrochen, in denen es überlebt hat. Rechtsextremismus zu verharmlosen, öffentlich aus wahltaktischen Gründen Verständnis für diejenigen aufzubringen, die heute wieder den Brunnenvergiftern hinterherlaufen, die verbrecherischen Thesen der Neo-Faschisten als „Meinungsäußerung“ hoffähig zu machen – all das führt zur nächsten Katastrophe.

Dazu kommt, dass wir heute in Zeiten leben, in denen zahlreiche Parameter zusammenkommen, auf denen Totalitarismus wächst. Internationale Konflikte, soziale Unruhen, Terrorismus – all das sind Umstände, unter denen Totalitarismus wachsen und gedeihen kann.

Diejenigen, die zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz ergreifende Reden gehalten haben, sind gleichzeitig diejenigen, die das Heft des Handelns in der Hand halten. Natürlich kann man mit den Reden nur einverstanden sein, doch ist nun wirklich die Zeit gekommen, diese neo-totalitären Tendenzen zu ächten, zu bekämpfen und zu verfolgen. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Und als solches sollten diese Entwicklungen behandelt werden. Denn ansonsten wird es mit „Nie wieder!“ nichts.

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