Erst die EU reformieren, dann über neue Beitritte diskutieren…

Es wird immer mehr über neue Beitritte zur EU gesprochen. Dabei funktioniert der europäische Staatenbund bereits jetzt nicht richtig. Als erstes sollte man die europäischen Institutionen reformieren.

So sieht die EU heute aus. Bevor sie erweitert wird, müssen erst die Institutionen reformiert werden. Foto: Adapted by toma0910 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – In den letzten Tagen gab es jede Menge „EU-Beitritts-Tourismus“. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste nach Serbien und Nordmazedonien, wo er versprach, sich für Fortschritte im Jahre dauernden Beitritts-Prozess einzusetzen; die Türkei erinnert sich, dass sie auch schon seit fast einem Virteljahrhundert in dieser Beitritts-Endlosschleife steckt und Ursula von der Leyen reiste mal wieder nach Kiew, um Präsident Selensky eine Antwort auf den ulrainischen Antrag als Beitritts-Kandidat bereits nächste Woche zu versprechen. Einmal mehr erkennt man, dass die Architektur der europäischen Institutionen nicht stimmt, denn welches Mandat haben Ursula von der Leyen oder Olaf Scholz, mit einzelnen Ländern und Beitrittskandidaten über deren Fahrplan zur EU-Mitgliedschaft zu diskutieren. Und wieso beginnt man nicht damit, die europäischen Institutionen zu reformieren und endlich effizient aufzustellen?

Dass der Beitrittsprozess der Türkei zum Stillstand gekommen ist, ist die logische Konsequenz des seltsamen Verhaltens von Recep Tayyip Erdogan, dem türkischen Präsidial-Diktator, der kein internationaler Partner sein kann, da er einfach nicht zuverlässig ist und höchst undurchsichtige Ziele verfolgt. Dazu führt sein Land einen blutigen Krieg gegen die Kurden, die von der türkischen Armee auch in ihren Siedlungsgebieten im Irak und in Syrien angegriffen werden. Über einen türkischen Beitritt zur EU kann man frühestens dann wieder diskutieren, wenn das Regime Erdogan abgelöst und durch eine demokratische Regierung ersetzt worden sein wird.

Serbien hat seinerseits in den letzten Wochen alles daran gesetzt, sich als potentielles EU-Mitglied ins Abseits zu manövrieren. Präsident Vucic ist ein Bewunderer des „großen Bruders“ Russland und dessen Führer Putin. Da aber rund die Hälfte der serbischen Bevölkerung eher pro-europäisch eingestellt ist, versucht Vucic die Quadrateur des Kreises: gute Beziehungen zu Russland UND der EU. In Kriegszeiten leider ein aussichtsloses Unterfangen, denn irgendwann muss man auch Position beziehen. Serbiens Präsident wird sich allerdings vielleicht später noch ärgern, denn als zuverlässiger Partner wird er inzwischen weder in Brüssel, noch in Moskau betrachtet.

Nordmazedonien ist ebenfalls Beitrittskandidat und da man aus Nordmazedonien nicht viel hört, steht hinter dem Land ein großes Fragezeichen.

Und dann sind da die ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien, Moldawien und die Ukraine, die aus sehr drängenden Gründen gerne Mitglieder der EU werden wollen, genau so, wie Finnland und Schweden gerne Mitglieder der NATO würden. Allerdings, und das ist ein nicht zu unterschätzender Punkt, erfüllt keines der drei so unter Druck stehenden Länder Zentral- und Osteuropas auch nur annähernd die Aufnahmekriterien der EU. Wohin die EU durch die zahlreichen Erweiterungen gekommen ist, das erkennt man heute. Trotz einer halben Milliarde Einwohner, trotz einer enormen Wirtschaftskraft, spielt die EU auf der internationalen Bühne kaum eine Rolle. Jetzt weiter an neuen Aufnahmen zu arbeiten, statt sich zuvor ein Regelwerk zu geben, mit dem die EU handlungsfähig bleibt, wäre ein großer Fehler.

Die Zukunft Europas entscheidet sich weder in Moskau, noch in Kiew, sondern in Brüssel und Straßburg. Es ist an der Zeit, die völlig überzogenen Befugnisse der Europäischen Kommission zu kappen und stattdessen die einzig demokratisch gewählte europäische Institution aufzuwerten, das Europäische Parlament. Ansonsten wird sich die EU eines Tages zu Tode verwalten, ohne handlungsfähig zu sein. Übereilte Neuaufnahmen in den europäischen Staatenbund sollten gerade nicht auf der Agenda stehen, zumal sie den Antragsländern nur einen sehr begrenzten Schutz bieten, wenn überhaupt. Die EU sollte sich nicht von Russland und der Ukraine am Nasenring durch die Manege führen lassen, sondern sich auf ihre Stärken besinnen und endlich anfangen, als Einheit, als Union zu handeln.

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