Erstmal jede Menge Opium fürs Volk…

Frankreich ist müde von dem unsäglichen politischen Chaos, in das es sein Präsident gestürzt hat. Dieser bietet zwar keine Lösungen an, dafür aber jede Menge Ablenkungen.

Mit den Emotionen, die solche Bilder auslösen, will Macron die Franzosen von der unsäglichen Politik ablenken. Foto: Microsoft Designer / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Es sollte niemand glauben, dass Emmanuel Macron, als er am 9. Juni eine Stunde nach seiner Wahlschlappe bei der Europawahl, die Termine für die vorgezogenen Parlamentswahlen am 30. Juni und 7. Juli verkündete, er dies ohne Hintergedanken tat. Die Termine waren wohl gewählt und zwar so, dass Macron jede Menge Zeit für seine politischen Pokerspielchen gewinnen konnte.

Momentan werden die Franzosen von „Opium fürs Volk“ und „Brot und Spielen“ geradezu überhäuft. So sehr, dass sich nur noch mehr oder weniger direkt Betroffene um die Frage kümmern, ob eine neue Regierung gebildet werden kann und ob der nächste Regierungschef Attal, Bello, Faure oder Mélenchon heißt. Denn die seit Tagen und Wochen laufenden Diskussionsrunden, bei denen sich die immer gleichen Experten die Köpfe heißreden, sind ermüdend, bringen weder Fortschritte noch Neues, und da kommt es den Franzosen ganz recht, dass es ein wenig Ablenkung gibt.

Da war der Nationalfeiertag am 14. Juli, in ganz Frankreich mit Feuerwerk, Volksfesten und Militärparaden gefeiert, wobei Militärparaden in Zeiten, in denen der Präsident am liebsten junge Franzosen in der Ostukraine in den Kampfeinsatz und Tod schicken würde, einen fahlen Beigeschmack haben. Aber wenn die „Patrouille de France“ die französischen Farben in den Himmel zaubert, dann kommt kurzzeitig ein nationales Hochgefühl auf und man vergißt die elenden politischen Diskussionen, wie es denn nun weitergehen soll.

Dass die französische Fußball-Nationalmannschaft bei der EM in Deutschland so schwach auftrat und im Halbfinale gegen Spanien einging, war nicht geplant, denn kaum etwas ist Machttragender als sportlicher Erfolg. Also wenden sich die Blicke lieber auf die Tour de France, bei der die 13. und 14. Etappe in den Pyrenäen einen epischen Zweikampf zwischen Pogacar und Vingegaard sahen, die sich mit enorm hoher Geschwindigkeit die Berge hochpushten. Noch läuft die Tour eine Woche lang, mit Etappen in den Alpen, bevor sie mit einem Einzelzeitfahren in Nizza endet. Alles deutlich spannender als das Nachdenken darüber, wieso das Land einen Präsidenten hat, dem das Schicksal Frankreichs und der Franzosen so egal ist, dass er für den Erhalt seiner Macht jeden Trick anwendet.

Ja, und dann kommen die Olympischen Spiele. Mit 65.000 Sicherheitskräften, davon 20.000 französischen Soldaten und der Unterstützung weiterer Sicherheitskräfte, zum Beispiel aus Katar, werden diese Hochsicherheits-Spiele derart militärisch werden, dass die Olympischen Spiele 1936 in Berlin dagegen wie ein fröhliches Fest der Jugend der Welt gewirkt haben müssen. Aber auch, wenn viele Franzosen diesem sündhaft teuren Spektakel, mit dem sich der Präsident ein Denkmal setzen will, eher ablehnend gegenüberstehen, da sie sich weder einen Aufenthalt in Paris, noch die Eintrittskarten leisten können, so flimmern die Olympia-Spots über alle Kanäle und werden die nächsten Wochen medientechnisch beherrschen. Und solange das so ist, denkt niemand darüber nach, mit welchen Tricks sich die „Macronie“ auch nach den Olympischen Spielen an der Macht halten will. Gut für Macron, schlecht für Frankreich und schlecht für Europa.

Doch „Opium“ dürfte dann auch das einzige sein, was dieser Präsident für „sein“ Volk bereithält. Und da das Ende der Olympischen Spiele in die Ferienzeit fällt, wird sich bis zum Herbst erst einmal gar nichts tun und die abgewählte Regierung kann einfach weiter den Wählerwillen ignorieren. Aber das Ganze scheint zu funktionieren. Die Franzosen haben die Nase voll von manipulierenden und selbstgefälligen Politikern, endlosen und sterilen Debatten und sie wollen jetzt ein wenig den Sommer genießen. Genau darauf hatte Emmanuel Macron gebaut, als er die Wahltermine so kurzfristig auf den 30. Juni und den 7. Juli gelegt hatte. Die Frage ist nur, wie lange er mit solchen Manövern noch durchkommt, denn inzwischen haben ihn die allermeisten Franzosen durchschaut. Wie es weitergeht und was für Dinge der Präsident noch aus dem Hut zaubern wird, erfahren wir zu Beginn des Herbsts. Man darf getrost mit dem Schlimmsten rechnen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste