Es braucht jetzt die Abstimmung mit den Nachbarn in Europa

Gastbeitrag von Dieter Eckert, dem ehemaligen Bürgermeister von Offenburg und heutigem Vorsitzenden der Europa-Union Kehl.

Als Deutschland die Grenze schloss, standen die Franzosen vor vollendeten Tatsachen, ohne vorher informiert worden zu sein. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(Dieter Eckert) – Die am vergangenen Mittwoch gefassten Beschlüsse der Kanzlerin und der 16 Länderchefs befinden sich in der Umsetzung. Diese Beschlüsse können nur begrüßt werden. Sie sind Teil einer Strategie, die einerseits versucht, langfristig zu denken, andererseits Möglichkeiten lässt, aufgrund aktueller Erkenntnisse nachzusteuern. Der Bevölkerung wird einiges weiterhin abverlangt, aber die Chancen stehen gut, dass die Regeln weiterhin von der ganz überwiegenden Mehrheit der Menschen akzeptiert werden.

Leider sind die getroffenen Maßnahmen offenkundig nicht mit den europäischen Nachbarn abgestimmt worden. Augenfälligstes Beispiel ist der Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland bei der Dauer von Ausgangs- beziehungsweise Kontaktsperren. Während Präsident Macron die Ausgangssperre jüngst bis 10. Mai verlängert hat, sollen die ohnehin weniger strengen Maßnahmen in Deutschland vorerst bis zum 3. Mai dauern. Sollte es danach zu weiteren Lockerungen bei uns kommen, werden die Disparitäten zwischen beiden Ländern sehr deutlich sichtbar werden, was zu Unmut in der Bevölkerung auf beiden Seiten der Grenze führen dürfte. Eine Abstimmung zwischen den beiden Ländern und auf gesamteuropäischer Ebene ist hier dringend vonnöten; die Kommission kann sich ohne Weiteres einen Überblick über das Gesamtgeschehen in Europa verschaffen und entsprechende Konsultationsprozesse initiieren und moderieren.

Auf Landesebene finden diese Disparitäten ihren Niederschlag in einer Praxis, die mehr als befremdlich ist. Kurz gesagt dürfen Franzosen zwar in Deutschland arbeiten, aber nicht einkaufen. Das ist angesichts der in Frankreich ergriffenen strengen Schutzmaßnahmen nicht nachvollziehbar und belastet die Beziehungen zwischen den Menschen diesseits und jenseits der Grenze ganz erheblich. Außerdem ist diese letztlich diskriminierende Handhabung gegenüber Grenzgängern mit den europäischen und deutsch-französischen Verträgen und ihrem vielbeschworenen Geist nur schwerlich zu vereinbaren.

Die Menschen diesseits und jenseits des Rheins ebenso wie entlang anderer europäischer Grenzen erwarten mit zunehmender Dauer der Pandemie für solche Fragen europäische Lösungen, nicht bedeutungsschwere Debatten über Finanzpakete, so notwendig sie auch sein mögen, sondern kleine Schritte, die den Alltag spürbar erleichtern und dazu beitragen, Europa in diesem Alltag wirklich zu erleben, vor allem in Grenzregionen wie dem Oberrhein!

2 Kommentare zu Es braucht jetzt die Abstimmung mit den Nachbarn in Europa

  1. Haben Sie konkrete Vorschläge? „Rein virologisch“ müsste man doch alles dicht machen, um Wahrscheinlichkeiten Maximal zu senken. Man kann ja viel fordern und beschwören, nur wie passt das zusammen?

    • Eurojournalist(e) // 22. April 2020 um 21:53 // Antworten

      Lesen Sie doch bitte den Gastkommentar von Dieter Eckert. Was er dort fordert, ist eine Abstimmung zwischen Deutschland und Frankreich, in einer Region, die sich seit Jahren als “gemeinsamen Lebensraum” feiert. Diese Abstimmung hat seit Beginn der Massnahmen nicht stattgefunden und im Gegenteil, durch zahlreiche “Ungeschicklichkeiten” der deutschen Seite ist viel deutsch-französisches Porzellan zerschlagen worden. Was bitteschön stimmt daran nicht? Es ist nicht das Anliegen von Herrn Eckert, “virologische” Empfehlungen abzugeben, das machen ja bereits andere…

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