Es gibt sie doch, die Stimmen der Vernunft in Deutschland!

Die frühere Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan, aber auch der Grüne Anton Hofreiter bekennen sich zur deutschen Verpflichtung gegenüber Griechenland.

Nachdem Nazideutschland Griechenland mit Tod und Elend überzogen hatte, kann man sich heute keinen "Persilschein" ausstellen. Foto: Bundesarchiv, Bild 101l-166-0508-14 / Weixler, Franz-Peter / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das ist mal erfreulich – langsam werden erste Stimmen in Deutschland laut, die sich ernsthaft mit den griechischen Forderungen aus der Zeit des II. Weltkriegs auseinandersetzen. Was völlig richtig und korrekt ist, denn so, wie sich Deutschland seit geraumer Zeit gegenüber Griechenland verhält, könnte man meinen, ein unfehlbarer Oberlehrer wolle ein schwarzes Schaf wieder in die Herde zurückbringen. Diese Arroganz steht unserem Land aber nicht gut zu Gesicht, nachdem wir im letzten Jahrhundert den Tod von 40 Millionen Menschen verschuldet haben und nur deshalb wieder auf die Beine gekommen sind, weil diejenigen, die wir mit Grausamkeiten, Horror und Tod überzogen haben, uns nach den Kriegen erstaunlicherweise geholfen haben. Insofern ist das griechische Ansinnen, dass Deutschland seine offenen Rechnungen aus dieser Zeit begleichen solle, mehr als nachvollziehbar.

Doch während sich der Grüne Anton Hofreiter dagegen sperrt, dass in der aktuellen Situation die Euro-Rettung Griechenlands mit diesen alten Forderungen vermischt werden soll, steht Gesine Schwan auf einem ganz anderen Standpunkt. Verspüren beide keine große Lust, die „Schwamm-drüber-Diskussion“ zu führen, erinnert Professor Schwan zu Recht daran, dass es nicht lange her ist, dass sich Deutschland nicht annähernd so mustergültig aufgeführt hat, wie es das Land heute von Griechenland verlangt. Was also spricht dagegen, dass Deutschland einem Partnerland eine alte Schuld begleicht, in einem Moment, wo dies für das Partnerland überlebenswichtig ist?

Das Argument, Deutschland habe schließlich bereits 115 Millionen Euro an „Reparationen“ bezahlt, ist aus zwei Gründen peinlich. Zum einen steht der Betrag in keiner Relation zu dem Leid, das Nazideutschland Griechenland in der Zeit zwischen 1941 und 1944 angetan hat. Der gleiche Betrag wurde von Deutschland auch zur Entschädigung der zwangsrekrutierten Elsässer und Mosellaner gezahlt – da erscheint dieser Betrag als „Wiedergutmachung“ für Griechenland ziemlich gering. Zum anderen geht es in erster Linie um eine Forderung, die selbst Juristen im Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags als gerechtfertigt erachten – die Rückzahlung des Zwangskredits, mit dem die Nazis die griechische Nationalbank praktisch leergeräumt hatten. Zwar streiten sich die Experten, welche Kaufkraft im Jahr 2015 die damals mitgenommenen 476 Millionen Reichsmark haben (die Meinungen liegen irgendwo bei 11 Milliarden Euro). Auf diese Rückzahlung hat Griechenland nie verzichtet und warum sollte das reiche Deutschland nicht diese alten Schulden zahlen, wo es Griechenland momentan richtig schlecht geht?

Auch der Vorschlag, der bereits gemacht wurde, Geld für eine Stiftung bereitzustellen, die sich um die Aufarbeitung und Aussöhnung zwischen beiden Ländern kümmern soll, klingt ziemlich deutsch. Griechenland braucht momentan weniger kulturelle Austauschprogramme, als etwas zum Essen auf dem Tisch.

Klar ist auch, dass Deutschland einen Präzedenzfall fürchtet – andere Länder, die nie von Deutschland entschädigt wurden, könnten auf die Idee kommen, dass man Forderungen stellen könnte. Na und? Das ist unsere historische Verantwortung gegenüber den Völkern, die wir drangsaliert, umgebracht und ausgeplündert haben – die „Schwamm-drüber-Diskussion“ ist ein unerträglicher Versuch, sich selbst einen Persilschein auszustellen. Das haut aber nicht hin.

Deutschland hat eine historische Verpflichtung gegenüber denjenigen Ländern, die es überfallen hat und die danach menschliche Größe bewiesen haben, indem sie Deutschland halfen, wieder auf die Beine zu kommen. Genau das sollten wir jetzt auch in Griechenland tun.

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