Es herrsche Frieden auf Erden…

Zu Weihnachten erinnert man sich gerne an das Jahr 1915, als britische und deutsche Soldaten während der Feiertage spontan den Frieden ausriefen. Der leider nicht von langer Dauer war.

"Christmas Truce" 1915 - Britische und deutsche Soldaten feiern gemeinsam Weihnachten an der Westfront. Der vielleicht menschlichste Moment des I. Weltkriegs. Foto: Harold B Robson / Imperial War Museum / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Wenn man heute die Weihnachtsgeschichte liest, dann beschleicht einen das seltsame Gefühl, dass all das nicht mehr viel mit dem Jahr 2015 zu tun hat. Da wird von Nächstenliebe geredet, von Frieden, von Glauben und von Religion, doch die Realität sieht im Jahr 2015 so ganz anders aus. Es herrschen Krieg, Angst, Missgunst und Hass, was dann auch den weihnachtlichen Kirchgang zu einer ziemlichen Farce werden lässt. Umso schöner ist es, sich an das Weihnachtsfest 1915 zu erinnern – vor genau 100 Jahren setzten sich britische und deutsche Soldaten über den Befehl ihrer Oberkommandos hinweg, legten die Waffen nieder und feierten „mit dem Feind“ eine Art gemeinsames Weihnachtsfest.

An der Westfront war es im Winter 1915 mehr als ungemütlich. Die feindlichen Gräben und Linien lagen teilweise keine 100 Meter voneinander entfernt, man hörte sich gegenseitig und diese unmittelbare Nähe hatte etwas Unwirkliches, permanent Lebensbedrohliches und am 24. Dezember 1915 reichte es den Soldaten der „Northumberland Hussars“ und der 7. Infanteriedivision in Flandern. Zwar gehen die Beschreibungen dieses Weihnachtsfest ziemlich weit auseinander, doch ist verbürgt, dass beide Seiten nach anfänglichem Zögern ihre Gräben verließen, ihre Rationen und Zigaretten teilten und ein gemeinsames Fußballspiel zwischen den Schützengräben organisierten.

Zuvor hatten sich zahlreiche Persönlichkeiten wie Papst Benedikt XV. oder auch der Erzbischof von Paris Léon-Adolphe Amette vergeblich um einen Waffenstillstand während der Weihnachtstage bemüht, doch die kriegsführenden Parteien hatten dies schroff zurückgewiesen. Doch die Soldaten, die in den Gräben froren, vor Angst wahnsinnig wurden oder starben, sahen das anders. Sie traten in eine Art „Kriegsstreik“ und erkannten, dass in den gegenüberliegenden Gräben Menschen hockten, die exakt das Gleiche empfanden wie sie selbst.

Zumal weder auf der deutschen, noch auf der alliierten Seite irgendjemand damit gerechnet hatte, dass dieser Krieg zu Weihnachten 1915 überhaupt noch andauern würde. Zu Beginn des Kriegs 1914 hatten eigentlich alle Parteien damit gerechnet, dass der Krieg kurz und siegreich sein würde – ein Jahr später befanden sich die Kriegsgegner in diesem fürchterlichen Stellungskrieg, der unzählige Leben kostete und an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten war.

Das Weihnachtsfest 1915 und die dabei kurzzeitig stattfindenden Verbrüderungen sollten nur von kurzer Dauer sein. Viele der beteiligten Soldaten wurden an andere Frontabschnitte versetzt und die gemeinsame Weihnachtsfeier der britischen und deutschen Soldaten war den Oberkommandierenden, die in ihren gemütlichen Villen in Berlin und London saßen, ein Dorn im Auge. Denn Krieg funktioniert nur, solange es motivierte Soldaten gibt. Und motiviert waren die jungen Männer an der Westfront 1915 schon lange nicht mehr. Gasangriffe, Überfälle mit Flammenwerfern, die von der Wehrmacht zu dieser Zeit erstmals eingesetzt wurden, immer wieder rollende Angriffswellen zwischen den Gräben – der I. Weltkrieg begann gerade, zu einem fürchterlichen Gemetzel zu werden, ausgeführt von Soldaten, die viel lieber daheim bei ihren Familien und Freunden gewesen wären, statt im eisigen Schlamm Flanderns zu sterben.

Daran sollte man in diesen Weihnachtstagen denken – denn auch 2015 sind wir im Kriegszustand, sind deutsche, britische und französische Soldaten (und natürlich noch aus vielen anderen Ländern) an den verschiedenen Fronten der Welt, ob in Mali, Syrien, dem Irak oder sonstwo, auch zu Weihnachten 2015 wird geschossen und gestorben und das, obwohl, wie immer, niemand dieses Töten wirklich will.

Machen wir es wie die Briten und die Deutschen zu Weihnachten 1915 – kommen wir aus unseren Gräben heraus, überwinden wir die Angst und gehen wir auf diejenigen zu, vor denen wir eigentlich Angst haben. Das erscheint 2015 eine sinnvollere Weihnachtsbotschaft zu sein als das Verlesen der Geschichte des Zimmermanns aus Galiläa, den wir heute vermutlich als „Flüchtling“ betrachten würden und der, hätte er denn Aufnahme in einem Stall in Sachsen gefunden, vermutlich die ganze Nacht über hätte fürchten müssen, dass seine Notunterkunft von angetrunkenen Glatzen abgefackelt wird.

Das Team von Eurojournalist(e) wünscht allen Leserinnen und Lesern ein paar schöne Feiertage, viel Liebe und dass Sie alle Zeit mit denen verbringen können, die Ihnen nahestehen. Und dass es nicht nur um die Weihnachtsgans und die Geschenke geht.

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