Es knirscht im Gebälk

17 französische Abgeordnete haben die Fraktion der Regierungspartei LREM verlassen und eine neue Fraktion gebildet. Damit verliert LREM die absolute Mehrheit im Parlament. Auflösungserscheinungen?

Dunkle Wolken für LREM und Emmanuel Macron über dem französischen Parlament... Foto: Gerd Eichmann / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es war ein Paukenschlag mit Ankündigung – bereits seit mehreren Tagen geisterten Information über die Bildung einer neuen Fraktion durch die üblichen Kanäle. 17 Abgeordnete der „La République en Marche“ (LREM) haben ihre Fraktion verlassen und bilden nun die neue Fraktion „Ökologie, Demokratie, Solidarität“ und damit verliert LREM die absolute Mehrheit in der Assemblée Nationale, dem französischen Parlament. Für Emmanuel Macron ist dies nicht viel mehr als ein Ärgernis, denn er kann weiterhin auf seine politischen Verbündeten der Mitte-Techts-Parteien MoDem und AGIR zählen – allerdings wird er künftig mit seinen politischen Partnern etwas diplomatischer umgehen müssen, denn er wird sie brauchen.

Die Gruppe der 17 „Dissidenten“ ist in sich kaum geschlossen. So findet man in dieser neuen Fraktion sowohl Abgeordnete, die LREM schon längst verlassen haben, als auch welche, die gerade von der Regierungspartei ausgeschlossen wurden und sogar einige Noch-Mitglieder von LREM, die bislang lediglich die Fraktion verlassen haben. Allen gemein ist allerdings die Überzeugung, dass ihre politischen Einstellungen in der Regierungsfraktion nicht zur Geltung gekommen sind und dass die Fraktionsdisziplin sie dazu zwingt, gegen ihre Überzeugungen zu stimmen.

Der Verlust der absoluten Mehrheit in der Assemblée Nationale wird keine Regierungskrise auslösen, da Emmanuel Macron und sein Premierminister Edouard Philippe weiterhin über eine satte Mehrheit dank der Partner aus den Mitte-Rechts-Parteien zählen können. Dennoch ist die Gründung einer neuen Fraktion ein enormes Ärgernis für Macron, weil einmal mehr deutlich wird, wie seine Partei intern funktioniert. Die Ansage, dass LREM mit den alten Gepflogenheiten der französischen Politik brechen und eine „neue Welt“ einläuten wolle, darf man inzwischen getrost vergessen.

Vor dem zweiten Wahlgang der wichtigen OB- und Kommunalwahlen knirscht es mächtig im Gebälk der LREM. Zwar setzt man jetzt in Paris alles daran, diesen zweiten Wahlgang entgegen der Überzeugung der Bevölkerung Ende Juni zu organisieren, also möglichst, bevor die Analysen zum Management der Corona-Krise und eventuell sogar Prozesse begonnen haben, doch die Verfallserscheinungen der „Macronie“ sind nicht mehr zu übersehen.

Das Experiment Macron scheint zu scheitern, da die oft unerfahrene und ebenso oft arrogante Truppe des jungen Präsidenten nicht in der Lage ist, mit Krisen umzugehen. Kann man noch Verständnis dafür haben, dass die französische Regierung wie viele andere eiskalt vom Coronavirus erwischt wurde, so haben viele Franzosen nicht vergessen, wie ungeschickt und provokant Macron und seine Leute mit der „Gelbwesten-Krise“ und auch den massiven Protesten und Streiks wegen der geplanten Rentenreform umgegangen sind. Bereits vor der Coronakrise war Frankreich seit anderthalb Jahren in sozialen Konfrontationen gefangen, die jedes Wochenende in blutigen Straßenschlachten in Paris und vielen anderen Städten geführt hatten. Und da sich an der Ausgangslage nichts geändert hat, dürften diese und andere Proteste auch schnell wieder aufflammen, sobald die Coronakrise halbwegs im Griff zu sein scheint. Was sie allerdings auch noch nicht ist.

Langsam wird auch das „Kommunikations-Wunder“ Emmanuel Macron müde. Erst vor wenigen Tagen behauptete er in einem Interview, es habe „nie Engpässe“ in der Versorgung mit Schutzmasken gegeben – ein Aufschrei ging durch die Pflegeberufe, die wochenlang ohne den geringsten Schutz Covid-19-Patienten pflegen mussten, da es keine Masken für sie gab. Eine derart flache Aussage in den Raum zu stellen, das wäre Macron noch vor kurzer Zeit nicht passiert.

Sollten beim zweiten Wahlgang der OB- und Kommunalwahlen stellvertretend die LREM-Kandidat*innen für die Regierung abgestraft werden, dann würde das bereits das Ende der „Macronie“ einläuten. Das Experiment der „neuen Welt“ scheint gescheitert zu sein. Und viele Franzosen sind inzwischen der Ansicht, dass das, was auf die „Macronie“ folgen wird, in keinem Fall schlimmer sein kann…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste