Es reicht.

Frankreich ist müde von den letzten Monaten. Wie jedes Wochenende gab es auch am Ostersamstag gewalttätige Demonstrationen und am nächsten Samstag soll es noch heftiger werden. In Straßburg.

Am kommenden Wochenende demonstrieren die Gelbwesten in Strassburg. Friedlich wie immer. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Auch zu Ostern wurde es in Frankreich nicht ruhiger. Wieder gingen zum „Akt 23“ zahlreiche Gelbwesten auf die Straße und es wird immer schwieriger, irgendwelche Sympathien für diese Bewegung zu entwickeln, deren originäre Sozialforderungen sicher berechtigt waren, doch die in den letzten Monaten das Land immer weiter in eine unglaubliche Krise stürzt. Befördert wird diese Entwicklung durch die nach wie vor zögerliche Haltung des französischen Präsidenten, der weiterhin auf Zeit spielt und sich in einer Art Armdrücken mit seiner eigenen Bevölkerung befindet.  Die Rechnung für diese zögerliche Haltung wird vermutlich Straßburg zu tragen haben – denn hier soll am nächsten Wochenende der „Akt 24“ stattfinden, mit tatkräftiger Unterstützung von Gelbwesten aus Belgien (Black Blocks) und aus Deutschland (Rechtsextreme).

Die Situation in Frankreich läuft immer mehr aus dem Ruder. Die Gelbwesten polarisieren mittlerweile die öffentliche Meinung, es findet praktisch kein Austausch von Argumenten mehr statt und es sind die Gelbwesten selbst, die mit dem Märchen der „friedlichen Demonstranten“ aufräumen – wer öffentlich dazu aufruft, „unfriedlich und gelb“ nach Paris zur Demonstration zu kommen (wie für das Osterwochenende), der kann sich nach den erneuten gewalttätigen Ausschreitungen nicht mehr hinstellen und behaupten, dass man eine „friedliche“ Bewegung sei.

Am Donnerstag nun will Präsident Macron seine letzte Woche verschobene und lang erwartete Rede an die Nation halten und verkünden, mit welchen Maßnahmen er gedenkt, das Land zu befrieden. Einige der Punkte, die Macron ändern will, sind bereits „durchgesickert“, sprich: wurden ausgewählten Medien gesteckt. Doch ist ebenso klar, dass was auch immer Macron am Donnerstag ankündigen wird, es wird den Gelbwesten nicht reichen. Und deswegen kommen sie am nächsten Wochenende zum „Akt 24“ nach Straßburg, wo die nationale Demonstration stattfinden soll, unterstützt von belgischen Black Blocks und einigen verwirrten deutschen Gelbwesten, die dem Gedankengut der AfD und anderer rechtsextremer Gruppen nahestehen. So, wie die Gelbwesten diesen „Akt 24“ ankündigen, muss man sich in Straßburg auf ein Wochenende einstellen, von dem man befürchtet, dass es ähnlich ablaufen könnte wie 2009 beim NATO-Gipfel, als Demonstranten ganze Viertel von Straßburg in Schutt und Asche legten.

Die Ankündigungen von Emmanuel Macron werden sich auf Punkte wie die Schließung der Eliteschule ENA beschränken, auf die vage Ankündigung einer Dosis proportionales Wahlrecht, ein wenig Volksabstimmung auf lokaler Ebene, ein klein wenig Kaufkraft-Steigerung der Renten, eventuell eine leichte Anhebung des Mindestlohns – doch all das wird den Gelbwesten nicht reichen, da diese immer noch von einer Art Referendums-Demokratur träumen, in der die großen Linien der Politik von den Verkehrskreiseln des Landes bestimmt werden. Ihren Unmut über die Maßnahmen der Regierung wird sich am nächsten Wochenende in Straßburg Luft machen.

Die Präfektur des Departements steht vor einer schwierigen Aufgabe. Sie hat die Möglichkeit, die Demonstrationen zu verbieten, was aber wohl wenig Wirkung zeigen dürfte, sie kann bestimmte Personen von den Demonstrationen ausschließen und ansonsten wird ihr nicht viel anderes übrig bleiben, als die Europahauptstadt am nächsten Wochenende in eine Art Belagerungszustand zu versetzen.

Die Aufrufe für „Akt 24“ in Straßburg sprechen eine eindeutige Sprache. Gelbwesten, Black Blocks und rechtsextreme Schläger werden wieder gemeinsam auf die Straße gehen, die Gelbwesten werden wieder beteuern, dass sie absolut friedlich sind und nicht dafür können, wenn eine Stadtguerilla bestehend aus Links- und rechtsextremen die Stadt verwüstet. Es wird zahlreiche Festnahmen geben, an der Grenze wird es zu stundenlangen Staus kommen, da alle Zufahrtswege nach Straßburg penibel kontrolliert werden müssen und erneut wird man sich in Straßburg nicht bewegen können.

Nach dem „Oster-Akt“ in Paris, wo es erneut zu Ausschreitungen kam, ist klar, was uns am kommenden Wochenende in Straßburg erwartet. Die Stadt, die Präfektur und die Pariser Zentralen der Verwaltungen werden ebenso ihre Einsatzpläne machen wie die Gelbwesten und die Schärfe der Auseinandersetzungen wird weiter zunehmen.

Wenn es so weitergeht, müssen wir uns auf bürgerkriegsähnliche Zustände einrichten. Solche Zustände sind mittlerweile das einzige, auf das sich alle Gelbwesten verständigen können. Zu inhaltlichen Themen hört man von den Gelbwesten kaum Sinnvolles und das mantraartige Wiederholen der Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten reicht als politisches Programm nicht aus. Die wöchentlichen „Akte“ dienen nur noch der Auseinandersetzung mit den Polizeikräften, die systematisch angegriffen werden, wobei auch das permanente Lamentieren der Gelbwesten langweilig wird, die sich über die Polizeigewalt beschweren. Nur – was soll die Polizei denn an den Wochenenden tun? Gewaltbereiten Extremisten die Schlüssel der Stadt übergeben und bei Plünderungen und Gewaltorgien wegschauen?

Die Gelbwesten hatten ein halbes Jahr Zeit, zum Akteur sozialer Reformen in Frankreich zu werden. Diese Chance haben sie verpasst, die sozialen Reformen werden Schritt für Schritt und ohne die Gelbwesten organisiert werden. Ein halbes Jahr der Gewalt in den Straßen, ein halbes Jahr einer Bewegung, die sich nur durch dumpfe Gewalt auszeichnet und offenbar weder willens noch in der Lage ist, die Extremisten zu isolieren, die gerne den Staat in die Knie zwingen und das Gesetz der Gewalt in den Straßen Frankreichs installieren wollen – es reicht. Die Gelbwesten hatten ausreichend Gelegenheit sich zu organisieren und angehört zu werden. Doch diese Bewegung hat sich dem nationalen Dialog verweigert und setzt auf die Gewalt der Straße. Auch am kommenden Wochenende in Straßburg.

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