Es war einmal… die grenzüberschreitende Berufsausbildung

Christian Schäfer, Leiter Europäische Angelegenheiten der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, legte es in einem Offenen Brief offen – die grenzüberschreitende Berufsausbildung ist am Ende.

Das Ende der deutsch-französischen dualen Berufsausbildung? Foto: badenova AG & Co KG, Leska Hoffmann / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – So richtig mitbekommen hatte es in der Öffentlichkeit kaum jemand, als zum 1. Januar 2020 die Reform der dualen Berufsausbildung in Frankreich in Kraft getreten ist. Zu diesem Datum wurde die Zuständigkeit für die duale Berufsausbildung von der „Région Grand Est“ auf das Ministerium in Paris übertragen und damit auch die Zuständigkeit für die grenzüberschreitende Berufsausbildung. Ein Projekt, das von zahlreichen öffentlichen und privaten Partnern über Jahre mit viel Erfolg voran gebracht wurde, ist faktisch zum Stillstand gekommen. Es kann und darf nicht sein, dass die Politik ausgerechnet ein deutsch-französisches Projekt beerdigt, das hervorragend gelaufen ist. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die deutsch-französischen Beziehungen extrem belastet sind, sollte man schnell darüber nachdenken, diese unglückliche Entscheidung zurückzunehmen.

Hunderte Jugendliche konnten im Rahmen dieser sehr engagiert organisierten deutsch-französischen Ausbildungsprogramme eine Berufsausbildung im Dualen System im Nachbarland absolvieren – und in vielen Fällen wurden die Auszubildenden nach Abschluss ihrer Ausbildung von den Betrieben übernommen. Die grenzüberschreitende Berufsausbildung war am Oberrhein eine echte Erfolgsstory für die deutsch-französische Zusammenarbeit und mehr noch, für eine Art Integration am Oberrhein. Dabei war der Start dieser Programme alles andere als einfach.

Jahrzehnte lang erklärten die Profis des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts zunächst den französischen Bildungsstrukturen die Vorteile der grenzüberschreitenden dualen Ausbildung, kämpften dann um die Anerkennung der Diplome und liefen schließlich in praktisch jedes Unternehmen in Baden, um dort zu erklären, warum es interessant ist, Auszubildende aus Frankreich aufzunehmen – eine echte Graswurzel-Arbeit, durchgeführt von echten „Überzeugungstätern“. Die Ergebnisse dieser Arbeit waren bemerkenswert – Hunderte Jugendliche aus dem Elsass konnten eine duale Berufsausbildung absolvieren und oft im Anschluss eine berufliche Laufbahn im Ausbildungsbetrieb beginnen.

Das Abziehen der Zuständigkeit für die duale Berufsausbildung von der Region hat nicht nur politischen Charakter, sondern ganz konkrete Auswirkungen, da mit dieser Entscheidung auch die Budgets für diesen Bereich wegfallen. Und das wiederum hat zur Folge, dass die Finanzierung von zwei Fachexperten für die grenzüberschreitende Berufsausbildung nicht mehr steht, die bislang gemeinschaftlich von der „Région Grand Est“ und der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit getragen wurde. Dazu kann die „Région Grand Est“ auch nicht mehr die von den Ausbildungsbetrieben zu tragende „Taxe d’apprentissage“ erheben, was dazu führen wird, dass es keine solchen grenzüberschreitenden Ausbildungsverträge mehr geben wird.

Das wirft die Frage auf, was diese Umstellung eigentlich bringen soll? Und wofür haben wir all die schönen neuen Instrumente wie den Aachener Vertrag, der explizit die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen vorsieht, sollten diese nötig sein, um grenzüberschreitende Projekte zwischen Frankreich und Deutschland zu ermöglichen?

Die Region am Oberrhein, mit ihren über 5 Millionen Einwohnern und einem PIB in der Größenordnung von Irland, muss sich emanzipieren und dem politischen Zentralismus in Paris die Möglichkeiten des Aachener Vertrags entgegenstellen. Die grenzüberschreitende Berufsausbildung ist ebenso wenig ein Spielzeug wie der in den letzten Jahren hervorragend gewachsene grenzüberschreitende Arbeitsmarkt – zum Nutzen und Vorteil der Bürgerinnen und Bürger in diesem deutsch-französischen Lebensraum.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem sich vor der Coronakrise die deutsch-französische Zusammenarbeit immer besser entwickelte und in einzelnen Bereichen schon zur Selbstverständlichkeit geworden war, und jetzt, wo die Beziehungen durch die Grenze und viele unschöne Zwischenfälle immer stärker belastet sind, kann die Forderung nur lauten, dass die Zuständigkeit für die duale Berufsausbildung entweder an die „Région Grand Est“ zurückübertragen wird oder dass zumindest dank des Aachener Vertrags, des deutsch-französischen Parlaments und anderer Einrichtungen eine Ausnahme für die Grenzregion geschaffen wird, die es ermöglicht, diese wichtigen Projekte sofort wieder aufzunehmen.

Ansonsten setzt man gerade aufs Spiel, was über Jahrzehnte durch unglaublich engagierte und fachlich hoch kompetente Menschen auf beiden Seiten des Rheins erschaffen wurde. Und das wäre katastrophal.

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