Es wird keinen „Brexit“ des Elsass geben

In seinem nun veröffentlichen Bericht über die Lage und die Zukunft des Elsass in der neuen Region „Grand Est“, schließt der Präfekt der Region Jean-Luc Marx ein Ausscheiden des Elsass aus dieser Region kategorisch aus.

Jean-Luc Marx - sein Bericht bringt noch keine Klarheit über die Zukunft des Elsass. Foto: © Claude Truong-Ngoc / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Warum nur sind offizielle Berichte immer so schrecklich lang und in diesem fürchterlichen Verwaltungssprech abgefasst? Damit niemand sie liest? Damit niemand sie versteht? Der nun veröffentlichte Bericht des Präfekten Jean-Luc Marx über die Lage und die Perspektiven des Elsass macht keine Ausnahme: Auf 141 Seiten erklärt der Präfekt, der von Premierminister Edouard Philippe beauftragt worden war, diesen Bericht zu erstellen, wie es mit dem Elsass weitergehen könnte. Und das ist, um ehrlich zu sein, auch nach Veröffentlichung dieses Berichts nicht so richtig klar. Aber immerhin, es gibt einige Ansätze, über die man diskutieren kann.

Die für all diejenigen, die von einem autonomen Elsass träumen, wichtigste Nachricht ist, dass es kein autonomes Elsass geben wird, zumindest nicht mit dieser Regierung. Mehrfach betont Marx die Position der französischen Regierung, die lautet „wir können über alles reden, aber das Elsass bleibt Bestandteil der Region Grand Est.“ Freude wird bei den Autonomisten hierüber sicher nicht aufkommen.

Die wahrscheinlichste Variante dürfte die in diesem Bericht bevorzugte Variante der Zusammenlegung der beiden elsässischen Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin sein. Die hätte es schon 2013 geben können, als viele derjenigen, die heute ein eigenständiges Elsass fordern, genau diese Fusion abgelehnt hatten. Nun kommt diese Option eines großen Departements Elsass wieder auf die Tagesordnung und der Bericht sagt zwischen den Zeilen, dass dies wohl die genehmste Lösung wäre. So versucht Jean-Luc Marx, den Elsässern diese Option schmackhaft zu machen, indem er schreibt, dass dadurch die beiden kleinsten Departements der Region Grand Est zum größten Departement der Region würden, das über die größten Ressourcen in der Region verfügen würde.

Eine klare Absage erteilt der Präfekt allerdings der Diskussion, die so viel Schaden angerichtet hat: die Diskussion um die „elsässische Identität“. Auf Seite 110 seines Berichts weist Jean-Luc Marx darauf hin, dass die Frage der elsässischen Identität seit 150 ausgiebig von Schriftstellern, Politikern und Künstlern debattiert wird, ohne dass es eine Antwort auf die Frage gibt, was die „elsässische Identität“ überhaupt ist. Insofern, so Marx, ist die juristische Bewertung eines solch volatilen Konzepts schwierig bis ausgeschlossen, wobei der Präfekt sein Verständnis dafür äußert, dass viele Elsässer auch als solche leben und identifiziert werden wollen. Bis heute ist zwar nicht so ganz klar, wieso eine Verwaltungsreform die „elsässische Identität“ negativ beeinflussen sollte, doch der Präfekt nimmt diesen Punkt ernst und der Vorschlag, die Frage des Sprachunterrichts subsidiär im Elsass entscheiden zu lassen, ist durchaus der Ausdruck dieses Respekts.

Aus dem Bericht geht allerdings auch hervor, dass der Spielraum für eine verwaltungstechnische Neugestaltung des Elsass sehr begrenzt ist. Neben der Option der Zusammenlegung der beiden elsässischen Departements bringt Marx auch die Möglichkeit ins Spiel, erst einmal alles beim Status Quo zu belassen, zumal es bislang noch sehr wenig Erfahrungen gibt, wie sich das Elsass innerhalb der Region Grand Est entwickeln wird, da diese ja erst vor 2 Jahren ins Leben gerufen wurde. Man hört den einen oder anderen aufjaulen…

Dass bestimmte Kompetenzen vom Staat auf die Regionen und von den Regionen auf die Departements übertragen werden können, ist ohnehin im Rahmen der seit gefühlten 200 Jahren laufenden Dezentralisierung Frankreichs vorgesehen. Letztlich wird alles auf die Frage hinauslaufen, ob die beiden Departements des Elsass fusionieren oder ob es bei der aktuellen Situation bleibt. Alle anderen Möglichkeiten rückt der Bericht in unerreichbare Ferne. Somit ist auch klar, warum die Reaktionen im Elsass auf diesen Bericht bislang eher verhalten sind.

Das Thema „Elsass“‘ wird also wieder für einen „heißen Herbst“ sorgen – als ob der Sommer nicht schon heiß genug ist…

Für alle, die den Link oben verpasst haben – HIER finden Sie den kompletten Bericht des Präfekten Jean-Luc Marx.

2 Kommentare zu Es wird keinen „Brexit“ des Elsass geben

  1. Toll, ich fühle mich direkt zu Hause, war ich doch so oft von Saargemünd nach Mülhausen und zwischendrin über fast 50 Jahre auch in Lothringen unterwegs.
    Sagte mir mal ein Badener, der Kerle muß irgendwie elsässische Gene haben. Wie das. Es hat sich geklärt und ich bin nun in den letzten Zügen meiner Biografie, die zwischen Paris, Metz, Forbach, Saarbrigge, auch in großem Maße das Elsaß anbelangt, wo ich auch 91-93 nahe der Schweizer Grenze wohnte, samt Familie.

    Mein Sohn, 37 schrieb mir zum letzten Geburtstag, du gehörst noch lange nicht zum alten Eisen. Schön geschrieben. Nun werde ich alles daran setzen, als Franzose mit der “Muttersprache” deutsch ins Elsaß umzusiedeln und noch ein paar goldene Herbstjahre mitnehmen darf.

    Und da habe ich keine Not mit der Wahl; denn das Elsaß hat so viele schöne Ecken, daß ich gleich überall zu Hause mich fühle.

    Ich danke Ihnen vorerst für diese richtige gute Seite. Eine meiner ersten webseiten, hatte den Namen euregioreporter.

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