Es wird so schnell keinen Waffenstillstand geben

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat den russischen Forderungs-Katalog für ein Kriegsende vorgelegt. Über diese Forderungen ist Russland bereit, „ohne Vorbedingungen“ zu sprechen.

Während der Westen auf Beweise für den „russischen Friedenswillen“ wartet, führen Putin und sein Lautsprecher Lawrow die ganze Welt an der Nase herum. Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY 4.0int

(KL) – In einem Interview mit der brasilianischen Zeitung „O Globo“ hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow die russischen Forderungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs aufgelistet. Der Umstand, dass Russland bereit sei, „ohne Vorbedingungen“ über diese Forderungen zu sprechen, bedeutet eigentlich nur, dass Moskau die Ukraine bei einem solchen Gespräch von oben herab abkanzeln will, wobei man sich gleichzeitig ein neues Narrativ schafft, dass man in Moskau ja zum Kriegsende bereit gewesen sei, aber die Ukraine und deren westliche Partner nicht auf die russischen Forderungen eingehen wollten. Und das bedeutet, dass dieser Krieg wohl bis zum bitteren Ende weitergehen will.

Die russischen Forderungen sind nicht neu und sie sind im Laufe der Zeit für die Ukraine nicht annehmbarer geworden. So fordert Moskau weiterhin, dass die Ukraine demilitarisiert und „entnazifiziert“ werden soll, was nichts anderes bedeutet, dass die Ukraine unter einer Russland-freundlichen Regierung auf Dauer wehrlos und dem russischen Willen ausgeliefert bleiben soll. Dazu, auch das ist nicht neu, soll die Ukraine blockfrei bleiben und darf der NATO nicht beitreten.

Die bislang teil-annektierten Regionen Cherson, Saporischschja, Donez und Luhansk sollen vollständig als russisch anerkannt werden, wobei keine dieser vier Regionen vollständig unter russischer Kontrolle steht. Das wiederum bedeutet, dass Russland Gebiete einfordert, die es gar nicht erobert hat. Natürlich soll auch die Krim als russisch anerkannt werden, was die USA ja bereits ohne Not getan haben.

Dazu sollen in der Ukraine Gesetzesänderungen durchgeführt werden, mit denen Gesetze abgeschafft würden, die Russlands Meinung nach den Gebrauch der russischen Sprache und die russische Kultur diskriminieren und dazu soll die russisch-orthodoxe Kirche in der Ukraine wieder maßgeblich werden.

Doch das ist immer noch nicht alles – die Sanktionen des Westens gegen Russland müssen aufgehoben und eingefrorene Vermögen wieder freigegeben werden. Geradezu pervers ist die russische Forderung nach „Sicherheits-Garantien“ gegen Aktionen der NATO, der EU und einzelner westlicher Staaten. Dass ausgerechnet der Aggressor „Sicherheits-Garantien“ verlangt, ist der Gipfel der Perversion.

Es ist geradezu zynisch, dass Russland bereit ist, über diese unannehmbaren Forderungen, die faktisch aus der Ukraine einen russischen Satelliten machen, „ohne Vorbedingungen“ zu sprechen. Was soll es bei diesen Forderungen noch zu besprechen geben? Die Ukraine hat nichts in der Hand, das als Verhandlungsmasse dienen könnte, die USA stehen vor dem Absprung aus dem Ukraine-Krieg, die Europäer haben nicht die Stärke, die Ukraine schützen zu können.

Die Lage spitzt sich für die Ukraine immer mehr zu. Ein solches Gespräch „ohne Vorbedingungen“ dürfte nichts anderes als eine Gelegenheit für Russland sein, sich innenpolitisch und gegenüber den russischen Partnern als „friedenswillig“ darzustellen, die Ukraine bei einem Gespräch zu desavouieren und ohne Ergebnis nach Hause zu schicken.

Dieses Interview von Sergej Lawrow ist das letzte Element, das den großspurigen westlichen Politikern, allen voran Trump, Starmer und Macron zeigt, dass alles, was diese Leute in den letzten Monaten erzählt haben, nur heiße Luft war. Diplomatisch haben die westlichen Politiker nichts auf die Reihe bekommen und werden das auch weiterhin nicht.

Doch welche Optionen bleiben der militärisch eindeutig unterlegenen Ukraine? Nach über drei Jahren des Kriegs kann Kiew entweder darauf warten, dass das ganze Land von der russischen Armee zerstört und eingenommen wird, wobei Hunderttausende, vielleicht Millionen Menschen ihr Leben verlieren werden; die Ukraine könnte kapitulieren, was als Ergebnis hätte, dass der russische Forderungs-Katalog 1:1 umgesetzt würde; der Westen könnte die Eskalation des Kriegs betreiben und den III. Weltkrieg entfesseln, der einen kleinen Teil Russlands, dafür aber ganz Europa vernichten könnte.

Die westliche Diplomatie hat sich drei Jahre lang in ihrer eigenen Propaganda gesonnt, die Lage in der Ukraine falsch eingeschätzt und alle Zeitpunkte verpasst, zu denen echte Verhandlungen eventuell noch möglich gewesen wären.

Angesichts dieser Entwicklung wird man sich in Europa auf eine Flüchtlingswelle von Millionen Ukrainern einstellen müssen, die vor der russischen Armee flüchten werden. So, wie es heute aussieht, wird es weder einen Waffenstillstand geben (die dreitägige Waffenruhe, die Moskau rund um die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Endes des II. Weltkriegs verkündet hat, zählt nicht als Waffenstillstand), noch einen Frieden.

Trump und seine Helferlein haben auf der ganzen Linie versagt und dass der amerikanische Präsident in dieser Situation bereit ist, weiterhin mit Russland Geschäfte zu machen, ist ebenso verwerflich wie die Tatsache, dass auch die Europäer in den letzten drei Jahren munter ihre eigenen Sanktionen unterlaufen und massiv die russische Kriegskasse gefüllt haben. Wenn sich das alles so bestätigt, wird der Ukraine nichts anderes übrigbleiben, als dem Beispiel der Tschechoslowakei und der DDR zu folgen und lange Jahre der russischen Kontrolle über sich ergehen zu lassen, in der Hoffnung, dass sich eines Tages etwas im Kreml ändert, was neue Ansätze ermöglicht. Für die Tschechoslowakei und die DDR hat das nach 30 und 40 Jahren der Besetzung funktioniert, ob es auch für die Ukraine funktionieren kann, ist alles andere als sicher. Die ukrainische Tragödie zeichnet sich immer deutlicher ab.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste