EU-Haushalt – ein Neuanfang sieht anders aus

Die (bislang ergebnislosen) Verhandlungen um den neuen EU-Haushalt zeigen, in welch desolatem Zustand die Europäische Union ist. Es ist Zeit für Reformen.

Offenbar geht es in der EU nur noch darum - money, money, money... Foto: zeevveez from Jerusalem, Israel / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Verkommt die EU nun zu einer Art Selbstbedienungsladen für nationale Interessen? Die erste Verhandlungsrunde zum neuen EU-Haushalt in Brüssel zeige es deutlich: Die EU ist so zerrissen wie selten zuvor. Der „Brexit“ zwingt die 27 verbliebenen EU-Mitgliedsstaaten zu einer Neupositionierung. Dies findet auch gerade statt, doch statt Einigkeit, zeigt diese Neupositionierung vor allem eines – dass jeder für sich und gegen alle anderen kämpft. Die EU muss es in dieser neuen Legislaturperiode schaffen, sich grundlegend zu reformieren, denn ansonsten versandet die große europäische Idee im Klein-Klein der Nationalstaaten.

Erstes Problem – der Brexit. Durch das Wegfallen der britischen Beiträge ist ein Haushaltsloch von rund 12 Milliarden Euro entstanden, was für die übrigen Staaten bedeutet, dass wenn man mit dem gleichen Haushalt wie bisher weitermachen will, die Beiträge für alle 27 von 1 % auf 1,07 oder 1,08 % steigen müssten. Die Gruppe der „Frugal Four“, die Dänemark, Schweden, die Niederlande und Österreich umfasst, will nicht mehr zahlen. Sparsamkeit ist angesagt. Das klingt bei der Ländergruppe der „Friends of cohesion“ ganz anders – wen wundert’s, denn diese 17 Länder profitieren finanziell stark von der EU.

Statt sich jetzt um Kommastellen zu streiten, wäre es vielleicht besser, die Erhöhung der Beiträge mit einer Reform zu koppeln. Beispielsweise mit einer Regelung, das Netto-Empfänger von EU-Beihilfen diese Gelder nur bei Einhaltung bestimmter europäischer Standards beantragen können. So könnte man beispielsweise die „Visegrad-Staaten“ (Tschechien, Slowakei, Ungarn und Polen) über diese Schiene zur Einhaltung von rechtsstaatlichen und anderen Entscheidungen anhalten.

Zweites Problem – was soll mit dem Geld passieren? Auch hier kämpft jeder für sich und gegen alle anderen. Je nachdem, ob man Agrarhilfen bekommt oder eher die Sicherheit der Grenzen als Priorität sieht, ob man sich um Strukturhilfen oder die Wettbewerbsfähigkeit sorgt, will man den Haushalt eben in diesen Punkten aufbohren oder senken. Selbst zwischen dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat herrscht Uneinigkeit über Höhe und Verteilung des Haushalts.

Drittes Problem – die Ankündigung des „Green Deal“. Der „Green Deal“, mit dem Europa die Führungsrolle im Kampf um den Klimaschutz beansprucht, sollte laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „eine Billion Euro“ kosten. Nach einem entsprechenden Haushaltspunkt sucht man allerdings vergeblich, der „Umweltschutz“ fällt unter den Punkt Agrarhilfen und da ist klar, dass es nicht so richtig grün werden wird, denn auch weiterhin werden die landwirtschaftlichen Großbetriebe von den EU-Hilfen profitieren und das sind genau diejenigen Betriebe, welche die Umwelt am stärksten belasten. Ansonsten lautet das Argument, dass der „Green Deal“ in die vielen verschiedenen Haushaltsposten eingepreist wird. Jetzt muss man nur noch ganz fest daran glauben…

Die EU lässt Gelegenheit nach Gelegenheit verstreichen, sich endlich an den längst überflüssigen Reformprozess zu machen. Der bisherige Haushaltsentwurf und die Kompromissvorschläge deuten vor allem auf eines hin – es wird sich, bis auf einzelne Beträge, nicht viel ändern im institutionellen Europa. Und nach wie vor hemmt ein entscheidender Punkt jeden Fortschritt – die völlig anachronistische Regelung der Einstimmigkeit. Man sollte die weitere Ausschüttung großzügiger Subventionen davon abhängig machen, dass diese Einstimmigkeit abgeschafft wird und die EU moderner und vor allem handlungsfähiger wird. Doch nach dem Brexit einfach so weiterzumachen wie bisher, das wird nicht klappen. Europa muss jetzt stark aufpassen, dass es sich nicht selbst zu Tode verwaltet.

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