Europa bröckelt jeden Tag ein Stückchen weiter ab

David Cameron ist kategorisch: Großbritannien wird Griechenland nicht helfen, europäische Solidarität ist bei den Briten genauso wenig gefragt wie anderswo in Europa.

Der britische Finanziminister George Osborne (l.) will überall mitreden - nur bei Europa mitmachen will er nicht. Foto: Chatham House / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Fast meint man, Margaret Thatcher zu hören, wie sie einst langsam und zum Mitschreiben zum Thema Europa sagte: „I want my money back“. Das ist, Schäuble, Dijsselbloem und Lagarde sei Dank, das einzige Thema, das die EU-Bonzen noch zu interessieren scheint. Da ein neues Kreditprogramm (man sollte sich abgewöhnen, den Begriff „Hilfsprogramm“ zu verwenden, denn diese Programme „helfen“ Griechenland nicht, sondern den internationalen Finanzorganisationen, während das griechische Volk von diesen Programmen weiter unterjocht wird) Auch Großbritannien eine Milliarde Euro kosten könnte, erklärte Schatzkanzler (Finanzminister) George Osborne eilig, dass dieses Problem ausschließlich die Länder der Eurozone etwas anginge. Fast hat man das Gefühl, als liefe in Europa der Räumungsschlussverkauf.

Dass Großbritannien sich nicht für die Probleme der Eurozone verantwortlich fühlt, ist sogar nachvollziehbar, sind die Briten doch bei ihrem Pfund Sterling geblieben. Doch in der aktuellen Lage ist nicht nur buchhalterische Erbsenzählerei angesagt, sondern Auch so etwas wie politische Solidarität mit dem Gesamtkonstrukt Europa. Doch mit diesem Konstrukt der Europäischen Union ist es wohl nicht mehr weit her. Während die politisch Verantwortlichen weiter an ihrem jämmerlichen Konstrukt stricken, habens sich die Bürgerinnen und Bürger Europas schon längst von diesem Europa abgewandt. Denn genau das, was die Schäubles Europa der griechischen Regierung vorwerfen, haben sie selbst bewerkstelligt – einen totalen Vertrauensverlust.

Auch in den baltischen Staaten regt sich der Widerstand gegen so etwas wie europäische Solidarität. Auch dort glaubt man inzwischen an die eigene Propaganda, nach der die Griechen prassen und sich auf Kosten der europäischen Steuerzahler einen netten Lenz machen. Was natürlich grundlegend falsch ist, doch wenn man Aussagen wie „Die Party in Athen ist vorbei“ hört, dann fragt man sich, wie solche intellektuellen Tiefflieger in hohe und höchste Staatsämter gelangen können. Wobei wir Deutschen ganz still sein sollten – immerhin erlauben wir einem Wolfgang Schäuble, sich für sein sicherlich hartes persönliches Schicksal an ganz Europa zu rächen. Und leisten uns nun schon in der dritten Legislaturperiode eine Kanzlerin Angela Merkel, deren Liste ihrer Verdienste dorthin passen, wo einst Friedrich Merz eine Steuererklärung unterbringen wollte – auf einen Bierdeckel.

Da ist das Verweigern der Briten vor dem Hindernis der europäischen Solidarität eigentlich nur logisch. Weniger logisch ist dagegen, dass die britischen Totalverweigerer überhaupt noch an europäischen Verhandlungstischen sitzen.

Den Menschen im Lande, wie Politiker uns gerne zu bezeichnen pflegen, ist das alles inzwischen egal. Griechenland, Finanzkrise, ein anziehender oder fallender DAX, Erdbeben in Nepal, Boko Haram in Nigeria, Enthauptungen durch den IS, Klimaveränderung, Waffenexporte, Abhörskandale in Serie, Korruption und politisches Versagen – die Reizschwelle der Bürgerinnen und Bürger ist im Nirwana versunken. „Was sollen wir denn schon groß machen?“, fragen die Leute, „die machen doch ohnehin, was sie wollen“. Diese schulterzuckende Haltung ist nackte Resignation. Bei der die Menschen eines vergessen – nämlich dass wir in einem System, in dem wir immerhin noch wählen dürfen, eine machtvolle Waffe in der Hand haben, unsere Stimmzettel. Doch wenn man die Umfragen sieht, nach denen 64 % der Deutschen mit der Arbeit von Wolfgang Schäuble und 62 % mit der von Angela Merkel zufrieden sind, dann merkt man, dass wir diese Waffe systematisch ungenutzt lassen.

Solange wir diejenigen wählen, die unsere Welt zerstören, dürfen wir uns eigentlich nicht darüber beklagen, dass sie es Auch wirklich tun. Und das gilt für Deutschland ebenso wie für Großbritannien, Frankreich und all die anderen Länder, die uns tagtäglich beweisen, dass sie nicht über die Kompetenzen verfügen, aus Europa das zu machen, was es eigentlich sein sollte. Und weil das so ist, tragen wir alle ein gerüttelt Maß an Verantwortung für alles, was gerade in Europa passiert. Weil wir zu träge sind, diese europäische Tragödie zu verhindern.

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