Europa – das letzte Bollwerk gegen den Totalitarismus?

Alle, die so gerne aus der EU herauswollen, die Nationalisten aller Couleur, sollten sich erst einmal anschauen, wie es im Rest der Welt zugeht...

Ist die Demokratie wirklich nur noch ein zahnloser Tiger, der vor König Mammon kuscht? Foto: Homer Davenport (1867 - 1912) / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Donald Trump ist aus dem Schneider. Die republikanische Mehrheit im Senat hat seine Amtsenthebung abgelehnt. Zuvor hatte es eben diese Mehrheit im Senat ebenfalls abgelehnt, Zeugen zuzulassen, die offensichtlich zu viel wussten, es wurde das Erscheinen eines Buchs untersagt, das aus erster Hand erzählte, wie es zwischen Donald Trump und der Ukraine wirklich zuging – aber Politik ist eben Politik, könnte man sagen. Und man könnte auch sagen, da hat er aber Schwein gehabt – was geht’s mich an? Aber blöderweise geht es uns eine ganze Menge an. Denn die Begründung, mit der Trump freigesprochen wurde, lässt Europa zum letzten nicht-totalitären Kontinent werden.

Kurz gesagt, Donald Trump (und jeder künftige Präsident) darf das Gesetz brechen, wenn es denn dazu dient, seinen Wahlkampf zu fördern, wenn er meint, dass seine Wiederwahl von nationalem Interesse sei. Und das macht die Vereinigten Staaten von Nordamerika zu einer Präsidial-Diktatur, von der ein Erdogan nur träumen kann.

Aber hoppla, was ist denn nun aus der „freien westlichen Welt“ geworden? Zählen wir durch: Die Supermächte China, Russland und jetzt auch die USA werden präsidial-diktatorisch geführt. Das trifft auch auf viele andere asiatische, afrikanische und südamerikanische Länder zu. Da bleibt nicht mehr viel, das sich demokratisch nennen kann. Kanada, Australien und – Europa. Na ja. Kanada mit rund 36 Millionen Einwohnern, Australien mit 25 Millionen und wir Europäer. Wir sind als demokratische Staaten definitiv in die Minderheit geraten.

Das ist bedenklich, denn in Präsidial-Diktaturen geraten die Schicksale von Ländern und Kontinenten in die Hände unberechenbarer Leute, die ohne die Kontrolle durch ein freies Parlament tun und lassen können, was sie wollen. Wie beispielsweise Militärhilfe für die Ukraine davon abhängig zu machen, dass der ukrainische Geheimdienst belastendes Material gegen den Sohn seines politischen Konkurrenten sucht und findet. Die nächste, damit auch legale Stufe, wäre es wohl, wenn Bernie Sanders eines Morgens neben einem blutigen Pferdekopf aufwacht.

Wir Europäer sollten gut hinschauen. Auch in unseren Ländern gibt es immer mehr Bestrebungen, Präsidial-Diktaturen einzuführen. Zu viel Macht in den Händen omnipotenter Präsidenten zu konzentrieren ist aber gefährlich. Das wissen wir aus der Geschichte. Wer die Demokratie verteidigen will, also den Willen des Volks als höchsten Souverän, statt diese Rolle einer einzigen, oftmals profilneurotischen Person zu übertragen, der muss jetzt handeln, denn der neue Totalitarismus steht nicht erst vor der Tür, sondern ist bereits im Hausflur. Begründet wird seine Präsenz mit einem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis, mit der Notwendigkeit der Sicherung von Arbeitsplätzen und dem Damokles-Schwert der Armut, die ja inzwischen jeden treffen kann.

Noch haben wir die Chance, durch unser Wahlverhalten Errungenschaften zu machen und andere zu erhalten. Zum Beispiel unsere individuellen Freiheiten, von denen jede einzelne von unseren Vorfahren erkämpft werden musste, jede einzelne! Wir sollten nicht durch unsere Stimme diejenigen an die Macht spülen oder dort halten, die genau diese individuellen Freiheiten abschaffen und die Bevölkerungen am Zügel den Abgrund zur Armut entlang führen wollen. Aber seltsamerweise tun wir genau das – wir stimmen immer und immer wieder für diejenigen, die uns diese Suppe eingebrockt haben.

Es bleiben nicht mehr allzu viele Flecken auf der Erde, wo man wegen seiner Meinung oder Religion nicht eingesperrt werden kann, es gibt nicht mehr viele Orte, an denen man keine Folter oder Todesstrafe fürchten muss, es gibt kaum noch Länder, in denen sich nicht die Clans der Präsidial-Diktaturen die Taschen vollstopfen und sich um nichts anderes kümmern, als diese Macht zu erhalten. Kanada, Australien und wir. Vielleicht sollten wir anfangen, diesen Umstand etwas ernster zu nehmen und wenigstens in Europa anfangen, diese Demokratie etwas ernsthafter zu verteidigen. Denn wenn auch bei uns die wichtigsten Länder zu Präsidial-Diktaturen geworden sind, dann ist der Begriff „Demokratie“ nur noch in den Geschichtsbüchern zu finden.

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