Europa, Selbstbedienungsladen der Regierungen

Selten war eine Wahl so sinnlos wie die Europawahl 2014. Im Grunde ist es egal, wie die Europäer gewählt haben – Entscheidungen treffen die üblichen Verdächtigen in Brüssel.

Martin Schulz sucht händeringend nach einem neuen Job. Am Ende könnte es der alte Job werden. Foto: Claude Truong-Ngoc / eurojournalist(e)

(PM) – Diejenigen, die eigentlich die europäische Demokratie stärken und verteidigen sollten, sind diejenigen, die Europa immer weiter in den Abwärtsstrudel ziehen. Weitgehend ungeachtet der Ergebnisse der Europawahlen werden Posten und Pöstchen verschachert und verhandelt und langsam bekommt man das Gefühl, dass die Situation die gleiche wäre, wenn wir alle am 25. Mai Micky Maus oder gar nicht gewählt hätten.

Wenn wir uns diese Fragen bereits in Deutschland stellen, wie sieht es dann erst in den anderen europäischen Ländern aus? Im Moment sieht es so aus: Angela Merkel stimmt Jean-Claude Juncker als Kommissions-Präsidenten zu. Schön. Martin Schulz soll wieder Parlamentspräsident werden. Günther Oettinger soll EU-Kommissar bleiben. Und für die armen Briten will man sich ganz doll Mühe geben, denen ein paar Bonbons zu geben. Klasse. Erinnert sich noch jemand daran, dass wir mal gewählt haben? Was soll die ganze Verhandlerei?

In den anderen EU-Staaten dürfte man sich wundern. Anstatt dass das Wahlergebnis zügig umgesetzt wird, wird darüber diskutiert, ob den Regierenden dieses Ergebnis passt oder nicht. Die Posten werden nach politischem Kalkül und nicht nach dem Wahlergebnis vergeben – ein Schande.

Besonders übel ist, was um Martin Schulz herum passiert. Der wird seit dem 25. Mai wie eine heiße Kartoffel herumgereicht, meldet Ansprüche auf jedes Amt an, das gerade diskutiert wird und repräsentiert somit genau das Europa, das er vollmundig zu bekämpfen angekündigt hatte. Nachdem er für den Posten des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker unterlegen war, wollte er EU-Kommissar werden, doch da jedem Land nur ein Kommissarposten zusteht, wollte sich Angela Merkel nicht das Problem aufhalsen, Günther Oettinger in einer hohen Position unterbringen zu müssen. Zumal so eine Position momentan gar nicht zu vergeben ist. Also bestand die Kanzlerin darauf, dass Oettinger EU-Kommissar bleibt. SPD-Chef Sigmar Gabriel, des lieben Friedens willen, gab nach. Also wollte Schulz wenigstens Vize-Präsident der EU-Kommission werden. Doch da es niemals gut und konstruktiv ist, einen Unterlegenen einer Auswahl zum Stellvertreter des Gewinners zu machen, wurde Schulz weggelobt – als Kandidat für den Posten, den er bislang bekleidete – als Präsident des Europäischen Parlaments. Gehe zurück auf Los. Ziehe jede Menge Euros ein.

Gewählt werden müssen all diese Kandidaten auch noch. Aber nur von ihresgleichen, Volkes Stimme zählt ja ohnehin nicht. Möglich, dass am Ende sogar die Kandidaten auf Positionen landen, für die sie gewählt wurden. Doch auf dem Weg dahin haben unsere ach so repräsentativen Kandidaten der europäischen Demokratie einen großen Schaden zugefügt. Das Parlament wird in der kommenden Mandatsperiode sehr genau unter Beobachtung stehen. Denn Vertrauen hat niemand mehr in diese Brüsseler Hinterzimmer-Politiker.

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