Europa driftet immer weiter nach rechts

Ursula von der Leyen kann aufatmen – das Europäische Parlament hat ihre Liste der neuen EU-Kommissare durchgewunken. Aber wenn man sieht, wer da für wen stimmt...

Bei der Pressekonferenz freuten sich Ursula von der Leyen und Roberta Metsola - endlich haben die italienischen Postfaschisten das Sagen in Europa. Ein Grund zur Freude?! Foto: © Michael Magercord

(KL) – Warum hätte es auch anders laufen sollen? Die vor einigen Wochen wiedergewählte Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen war, unter anderem mit den Stimmen der postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni gewählt worden, seltsamerweise auch grünen deutschen Europaabgeordneten (!) und nun musste im Gegenzug der italienische Kandidat der Fratelli d’Italia Raffaele Fitto eben auch als Vizepräsident und Kommissar für die Regionalförderung bestätigt werden. Und siehe da, auch für den Postfaschisten Fitto stimmten etliche der deutschen Grünen, unter anderem die grüne Fraktionschefin Terry Reintke und es wird immer deutlicher, warum die Grünen auf einem absteigenden Ast sind. Dass grüne Abgeordnete für rechtsextreme Postfaschisten stimmen, das hätte sich vor einiger Zeit auch niemand träumen lassen.

Das Gemauschel in den Institutionen ist widerlich und erklärt, warum die Menschen kein Vertrauen mehr in die Politik haben. Dass Sozialdemokraten, Grüne und Liberale für Fitto gestimmt haben (die konservative EVP sowieso) und ihm noch dazu das Portefeuille der Regionalförderung anvertrauen, obwohl man weiß, dass sich in Italien „il sistema“ und das organisierte Verbrechen regelmäßig europäische Gelder in die Tasche stecken, ist der politische Offenbarungseid der Europäischen Kommission und auch des Europäischen Parlaments.

Damit die Parteien, die sich einstmals tapfer gegen die Rechtsextremen engagiert hatten, auch brav für Melonis Kandidaten stimmen, erklärten gleich mehrere Europapolitiker, dass diese Postfaschisten ja gar nicht mehr sooo rechts, sondern eigentlich eher in der politischen Mitte angesiedelt sind. Dass die ohnehin stramm rechte EVP so etwas erzählt, um ihre Pfründe zu retten, mag wenig überraschend sein. Dass Linke und Grüne dann für einen Postfaschisten stimmen und Meloni & Co. die Kontrolle über den Geldfluss der Regionalförderung übergeben, macht aus den Institutionen Zweigstellen der verschiedenen Mafia-Gruppierungen in Italien, die Meloni nicht etwa bekämpft, sondern durch ihren Justizminister Carlo Nordio und eine unglaubliche und selbst in Italien höchst umstrittene „Justizreform“ straffrei gestellt hat.

Der Preis, den Von der Leyen, aber vor allem die Europäer für ihre Wiederwahl zahlen müssen, ist enorm. Dass die ohnehin von Skandalen geschüttelte Von der Leyen gemeinsame Sache mit Postfaschisten macht, um wiedergewählt zu werden, wen verwunderts? Und nun musste sie eben Giorgia Meloni, der künftigen Strippenzieherin der europäischen Politik, ebenfalls einen Gefallen tun. Aber dass Grüne, Linke und Liberale diesen Zirkus mitmachen, ist unglaublich.

Dass jemand wie der EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) nun die italienischen Postfaschisten in der „politischen Mitte“ verortet, zeigt, dass der gesamte Politikbetrieb nach rechtsaußen abgedriftet ist und was das bedeutet, wird man bereits bei den nächsten Neuwahlen in Deutschland und Frankreich erleben.

Auch, wenn das Abnicken dieser neuen Kommission leider vorhersehbar war, ist es dennoch ein Schock für jeden alten Grünen-Wähler, dass gewählte grüne Abgeordnete Postfaschisten in Amt und Würden hieven und darauf auch noch stolz sind. Die Zeiten, als Grüne noch für eine klare antifaschistische Haltung standen, sind vorbei – der alte Satz, dass Macht korrumpiert, stimmt also. 27 der grünen Abgeordneten im Parlament stimmten mit Terry Reintke für diese postfaschistisch geprägte Kommission, 19 stimmten dagegen (es gibt also noch ein paar Antifaschisten bei den Grünen) und 6 enthielten sich der Stimme und haben offenbar zu so wichtigen Themen keine Meinung, was dann wiederum die Frage aufwirft, was sie eigentlich im Parlament zu suchen haben, wenn sie schon keine Meinung haben.

Auf Europa kommen ganz schwarze Zeiten zu. Postfaschisten und Rechtsextreme werden als „politische Mitte“ bezeichnet, die Skandalnudel Von der Leyen wird mit grünen und rechtsextremen Stimmen im Amt bestätigt statt vor Gericht gestellt zu werden, der künftige postfaschistische Kommissar und Vizepräsident der Kommission Raffaele Fitto bekommt eines der größten Portemonnaies Europas in die Hand gedrückt, wiederum mit den Stimmen von Grünen und anderen, die sich einst stolz Antifaschisten genannt haben, heute aber Postfaschisten unterstützen und das politische Chaos, das wir in vielen Ländern erleben, hat nun auch die europäischen Institutionen erreicht.

Dass weder die Präsidentin der mächtigen EU-Kommission, noch die Kommissare von den Europäern und Europäerinnen gewählt werden, sondern nach reichlich Gekungel hinter den verschlossenen Türen in Brüssel bestimmt und dann von willfährigen Politikern aller Couleur im Amt bestätigt werden, ist ein Armutszeugnis der europäischen Demokratie und zeigt einmal mehr, dass die repräsentative Demokratie heute alles ist, nur nicht repräsentativ.

Natürlich war der schlimmste Sündenfall die Wahl Von der Leyens für eine zweite Amtszeit, doch hätte das Europäische Parlament die Macht gehabt, diese postfaschistisch geprägte Kommission zu verhindern. Dass dies nicht geschehen ist, dürfte auch für die anstehenden Neuwahlen ein Signal sein. Wer grün wählt, läuft also Gefahr, damit auch für italienische Postfaschisten zu stimmen. Da dürfte es eine Menge Wähler in Deutschland geben, die künftig eher die AfD wählen, statt sich noch der Illusion hinzugeben, dass Grüne den Rechtsextremen in den Arm fallen. Schade, dass es nur noch den Europarat gibt, der als Institution gut funktioniert, aber leider nur sehr wenig Gestaltungsspielraum hat. Dort, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden, haben ab sofort Postfaschisten, Korruptions-Spezialisten und Brüsseler Lobbyisten das Sagen. Und da wundert sich noch jemand, dass sich die Menschen von der Politik abwenden?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste