Europa: Ein Weg der Reformen oder nur wieder warme Luft?

Bei seiner Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg überraschte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit neuen Vorschlägen.

In Wahlkampfzeiten immer wieder gerne in Strasbourg - Emmanuel Macron. Foto: Marine Dumény / EJ / CC-BY 2.0

(KL) – Wie schade, dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Monate der französischen EU-Präsidentschaft nicht genutzt hat, um konkret das anzustoßen, was er am Montag im Europäischen Parlament in Straßburg vorgeschlagen hat, nämlich grundlegende Reformen der europäischen Institutionen. So entsteht immer wieder das Gefühl, dass Macron zwar viel kommuniziert, aber wenig tut. Und dass er das Thema „Europa“ gerne als Wahlkampfthema ausnutzt, ohne dabei aber die Fortschritte anzugehen, mit denen sich Europa tatsächlich besser aufstellen könnte. Während die Idee einer „europäischen Verfassungskonvention“ sehr gut und richtig ist, um die längst überholten europäischen Verträge auf die Realitäten der heutigen Welt anzupassen, löst der Vorschlag einer „europäischen politischen Gemeinschaft“ eher Stirnrunzeln aus – denn zum einen verfügen wir bereits über eine „europäische politische Gemeinschaft“ und zum anderen scheint dieser Vorschlag nur darauf abzuzielen, die Ukraine und andere gefährdete Länder in eine Art neue Struktur einzugliedern, ohne dass sie (schnell) Mitglieder der EU werden. So seltsam dieser Vorschlag klingt, so steckt trotzdem ein brauchbarer Kern in der Idee.

Wenn man an die letzten fünf Jahre der Amtszeit Emmanuel Macrons denkt, dazu an die französische EU-Präsidentschaft, die seit Januar und bis Ende Juni läuft, und wenn man sich dann fragt, welche bedeutenden strukturellen und inhaltlichen Fortschritte die EU in dieser Zeit gemacht hat, dann fällt einem nicht viel ein. Abgesehen davon, dass Macron bei jeder Gelegenheit betont, dass er ein großer Europäer ist, hat er leider nicht viel für Europa getan. In Frankreich, wo seine politischen Gegner überwiegend Europa-skeptisch sind, reicht das allerdings schon aus, um sich als „europäischer Held“ zu positionieren.

Ähnlich war es auch bei seiner Rede am Montag vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Nicht vergessen sollte man dabei, dass sich der Mann bereits wieder im Wahlkampf befindet und dass in nur vier Wochen das französische Parlament neu gewählt wird und dass Macron dringend erneut die Mehrheit im Parlament braucht, um das Land weiterhin autoritär regieren zu können. Insofern war seine Rede in Straßburg nicht nur eine europäische Rede, sondern erneut eine Wahlkampfrede.

Der vorgeschlagene Verfassungs-Konvent ist im Grunde eine gute und richtige Idee, vor allem, wenn eine Änderung der Europäischen Verträge darauf abzielen würde, die Institutionen handlungsfähiger zu machen und endlich mit der unsäglichen Regel der Einstimmigkeit Schluss zu machen, mit der sich die EU seit Jahren selber lähmt. Doch so gut der Vorschlag klingt, 13 der 27 Mitgliedsländer der EU haben bereits erklärt, dass sie ein solcher Konvent nicht interessiert, da man ja bereits ein funktionierendes Europa habe. Wie ein solcher Konvent gegen den Willen der Hälfte der Mitgliedsstaaten organisiert werden soll, ist schleierhaft und lässt das Vorhaben ziemlich wenig erfolgversprechend aussehen.

Auch der Vorschlag einer „europäischen politischen Gemeinschaft“, in der man sehr schnell Länder wie die Ukraine, aber auch Moldau, Georgien und andere Länder aufnehmen könnte, die von der aktuellen Lage bedroht sind, klingt erst einmal seltsam. Denn einerseits ist es die Absage einer schnellen Aufnahme dieser Länder in die EU („das kann lange Jahre dauern“) und andererseits ein Signal, dass man sich darum bemüht, diesen Ländern ein wenig mehr Schutz zu bieten.

Allerdings klingt das ein wenig nach „Zurück in die Zukunft“, denn eine „Europäische Gemeinschaft“ hatten wir bereits und die Gründung einer Art „zweiter EU“ erscheint wenig sinnvoll. Doch bevor man das Kind mit dem Bad ausgießt, sollte man sich den Vorschlag genauer anschauen. Denn konkret schlägt Macron vor, dass der Straßburger Europarat, die mit Abstand am meisten unterschätzte europäische Institution, diese Funktion einer „politischen Gemeinschaft“ übernehmen soll und diese Idee ist interessant. Schon lange fordern viele Beobachter, dass der Europarat aufgewertet werden sollte, und es würde sich lohnen, diese Idee zu vertiefen. Dies allerdings setzt eine Neudefinition der Beziehungen zwischen den Institutionen voraus, und sogar eine Neudefinition der Aufgaben und Zuständigkeiten der verschiedenen Institutionen, der Europäischen Kommission, des Europäischen Rats, des Europäischen Parlaments und eben des Europarats.

Die Frage, die sich allerdings immer wieder stellt, ist, an wen sich diese Vorschläge eigentlich richten. Denn wenn diejenigen, die solche Dinge eigentlich umsetzen sollen, selbst nur „Vorschläge“ machen, die von irgendwem umzusetzen wären, dann bleiben diese europäischen Ideen eben nur vage Ideen und fallen damit in die Kategorie „politische Kommunikation“. So dringend die Reformen der Europäischen Institutionen erforderlich sind, eine „europäische Revolution“ wird diese Straßburger Wahlkampfrede wohl kaum auslösen.

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