Europa – Finger weg von Katalonien!

Die Regionalwahlen in Katalonien haben keine Klarheit gebracht – Kämpfer für die Unabhängigkeit sehen sich ebenso bestätigt wie diejenigen, die bei Spanien bleiben wollen.

Wären die Dinge so klar wie auf diesem Plakat, wäre es einfach, die Katalonien-Frage zu lösen. Ist es aber nicht. Foto: Christian Van der Henst S. / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Nach Wahlen sollten Zahlen eigentlich ein klares Bild vermitteln, doch sind sie leider ebenso dehn- und interpretierbar wie Gummi. So auch die Ergebnisse der Regionalwahlen in Katalonien vom Wochenende: Diejenigen Parteien, die für die Unabhängigkeit von Spanien kämpfen, haben die absolute Mehrheit im Regionalparlament errungen, doch haben diese Parteien „nur“ 47 % der Stimmen bei den Wahlen erhalten, was man auch so interpretieren könnte, dass eine Mehrheit der Menschen in Katalonien doch lieber bei Spanien bleiben würde. Und damit ist man nach den Wahlen genau so schlau wie vorher.

Nun ist es nichts Neues, dass es eine starke Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien gibt, dieser Region um die Großstadt Barcelona, die sich noch nie Spanien zugehörig gefühlt hat, seit sie nach einer bewegten Vergangenheit vor 300 Jahren von Phillip V. dem spanischen Staat einverleibt wurde. Katalonien ist die wirtschaftlich stärkste Region Spaniens, die mit 7,5 Millionen Einwohnern fast ebenso viele Einwohner hat wie Belgien. Als Spanier fühlen sich die stolzen Katalonier nicht und obwohl die Region einen Status weitreichender Autonomie hat, scheint es so, als sei ein föderalistisches Zusammenleben nicht möglich. Selbst die Fußballspiele zwischen den „Königlichen“ von Real Madrid und dem FC Barcelona, der „Classico“, wird regelmäßig zu einer politischen Demonstration zwischen Spanien und Katalonien. Aber wie soll es jetzt weitergehen?

Madrid kämpft mit allen Mitteln gegen die Bestrebungen Kataloniens, sich vom spanischen Staat abzuspalten. Erst letztes Jahr wurde im letzten Moment vom obersten spanischen Gericht eine Volksabstimmung in Katalonien über die Unabhängigkeit untersagt und es wurde eilig ein Gesetz verabschiedet, dass es Madrid ermöglicht, den Chef der katalonischen Regionalregierung abzusetzen, falls dieser sich verfassungswidrigen Aktivitäten hingibt – und da die Unverletzbarkeit des spanischen Territoriums in der spanischen Verfassung verankert ist, ist eigentlich jede Aktion in Richtung der Unabhängigkeit einer Region ein Grund, den zuständigen Regional-Regierungschefs des Amt zu erheben.

Doch dieser, Artur Mas, hat gerade mächtig Rückenwind. Seine Partei, die „Junts pel Sí“ („gemeinsam für das ‘Ja’“) hat mit 39,54 % der Stimmen und 62 Sitzen die Wahl gewonnen und kann mit der linken CUP, die auf 8,2 % der Stimmen und 10 Sitze kam, die neue Regionalregierung bilden. Beide Formationen verfügen zusammen über 72 Sitze im 135 Sitze umfassenden Regionalparlament und damit über die absolute Mehrheit.

Noch in der Wahlnacht wurde der Ton schärfer – Artur Mas kündigte die Abspaltung Kataloniens von Spanien bis 2017 an und der Chef der CUP, Antonio Banos, twitterte: „Adios Espana“ und rief dazu auf, spanische Gesetze ab sofort in Katalonien nicht mehr zu beachten – die Weichen scheinen also für die Separatisten gestellt zu sein.

Das sehen die Spanier allerdings ganz anders. Premierminister Mariano Rajoy äußerte, dass die Separatisten mit ihrem Vorhaben gescheitert seien und auch die unterlegenen Politiker in Katalonien feierten ihre Niederlage als einen „Sieg gegen das Projekt der Abspaltung“. So interpretiert eben jeder die Zahlen auf seine Art.

Die Frage der Unabhängigkeit Kataloniens wird letztlich nur von den Kataloniern entschieden werden können. Und die Europäische Union muss sich aus der Frage nicht nur heraushalten, sondern auch verhindern, dass sie als Druckmittel verwendet wird. Denn auch die Separatisten sehen Katalonien künftig nicht als Insel zwischen Spanien und Frankreich, sondern als Teil der EU – auch die separatistischen Parteien Kataloniens sind entschieden europafreundlich. Nur, im Falle einer Abspaltung, die Spanien versucht zu verhindern, könnte eine Situation entstehen, in der Madrid mitzuentscheiden hätte, ob ein unabhängiger Staat Katalonien Mitglied der EU werden darf. Da man in Madrid aber eine Abspaltung als verfassungswidrig betrachten würde, dürfte es Spanien schwer fallen, eine Option zu akzeptieren, in der Katalonien Mitglied der EU werden könnte. Und hier muss die EU aufpassen, dass daraus keine Erpressung wird – „wenn ihr Spanien verlasst, sorgen wir dafür, dass ihr in Europa isoliert seid und nicht in die EU kommt“.

Die Situation ist auch deshalb so verfahren, weil sich Separatisten und Spanien-Befürworter in Katalonien ziemlich die Waage halten. Ein wenig wie im kanadischen Quebec, wo die letzte Abstimmung über die Unabhängigkeit der französischsprachigen Provinz von Kanada mit 49,9 % zu 50,1 % abgelehnt wurde und logischerweise die Hälfte der Bevölkerung nicht zufriedenstellte. Insofern wird auch ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens diejenige Hälfte der Bevölkerung, die sich nicht durchsetzen kann, nicht glücklich machen.

Wir haben gesehen, wie Europa reagiert hat, als in Griechenland mit der Syriza eine linke Formation an die Macht kam. Die konservativen Spitzenkräfte in Europa setzten alles daran, die neue griechische Regierung unter Druck zu setzen, in der Hoffnung sie so zu erschüttern, dass sie Neuwahlen verlieren möge. Das ist allerdings nicht passiert. Doch sollten die Schäubles Europas in Katalonien, wo ebenfalls eine „linke“ Regionalregierung am Ruder ist, tunlichst ihre Finger aus dem Spiel lassen.

Die Lösung des Problems muss Spanien und Katalonien überlassen werden und eigentlich gibt es nur einen einzigen Weg: Eine Volksabstimmung, zu der sich alle Beteiligten im Vorfeld verpflichten müssten, das Ergebnis zu akzeptieren, gleich, wie es ausfällt. Ohne wenn und aber, ohne „europäische Erpressung“. Sollte sich eine noch so knappe Mehrheit für die Abspaltung von Spanien entscheiden, müsste Katalonien der Weg zur Unabhängigkeit ebenso geöffnet werden wie der Weg in die EU. Sollten sich die Spanien-Befürworter durchsetzen, müssten die Separatisten dies genauso akzeptieren. Alles andere kann nur zu einer Eskalation führen, die niemand in Spanien, niemand in Katalonien und niemand in Europa wünschen kann.

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