Europa in Afrika

Zwei Themen wecken noch einmal die Erinnerung an die europäische Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent. Und beide zeigen, dass europäische Mächte dort nichts verloren haben.

Transport von Hereros 1907 ins KZ Swakopmund in Namibia. Zugtransporte ins KZs scheinen eine "deutsche Tradition" zu sein. Foto: unbekannt / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Der Schatten der Kolonialzeit, der Ausbeutung des schwarzen Kontinents und der Versklavung und Ausrottung ganzer Völker schwebte diese Woche über den Nachrichten. Zum einen war da die endlich erfolgte Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama in Namibia und zum anderen der Besuch des französischen Präsidenten Macron in Ruanda, wo er sich sprachlich geschickt um eine Entschuldigung drückte, nachdem ein Bericht der UNO Frankreich eine Mitverantwortung am Völkermord an ungefähr 800.000 Tutsi gab. Und plötzlich erinnert man sich, dass heute noch zahlreiche afrikanische Staaten faktisch unter der Vorherrschaft ihrer ehemaligen Kolonialstaaten leiden, denn die wirtschaftliche Dominanz der Kolonialstaaten wurde in den Unabhängigkeitsverträgen vieler afrikanischen Staaten in den Jahren 1960/61 festgeschrieben.

Immerhin, nach Jahrzehnte dauernden Verhandlungen hat Deutschland nun endlich den Völkermord an den Herero und Nama eingestanden, dem in den Jahren 1904 bis 1908 in der damaligen Kolonie „Deutsch Südwest-Afrika“ bis zu 55.000 Menschen zum Opfer fielen. Als „Entschädigung“ (ein solches Leid kann man leider nicht mit Geld kompensieren) bietet die Bundesregierung Namibia 1,1 Milliarden Euro an, verteilt über 30 Jahre. In Namibia ist man höflich und bezeichnet diese Geste als „einen ersten Schritt in die richtige Richtung“, doch reicht es nicht aus, einen solchen Betrag mehr oder weniger als „Entwicklungshilfe“ zu überweisen. Eine Anerkennung dieses Völkermords bedeutet eigentlich, dass sich die deutsche und die namibische Regierung auf ein ganzes Paket an Maßnahmen verständigen müssen, die Namibia insgesamt besser aufstellen. Aber – immerhin.

In Ruanda drehte der französische Präsident Emmanuel Macron allerdings wieder einmal an der linguistischen Schraube. Er entschuldigte sich für Verfehlungen der französischen Politik während des Völkermords an den Tutsi in Ruanda im Frühjahr 1994, als die dort befindlichen französischen Armee-Einheiten dem grausamen Abschlachten der Tutsi tatenlos zusahen. Dabei war allerdings nicht die französische Armee schuldig, denn diese hatte keinerlei Mandat ihrer Regierung einzugreifen und die Zivilbevölkerung zu schützen.

In seiner blumigen Art sagte Macron mit perfekt einstudierter schwerer Stimme, er hoffe, dass „diejenigen, die durch die Nacht gegangen sind, verzeihen können“. Warum es Macron nicht möglich war, um Verzeihung zu bitten, oder sich gar im Namen Frankreichs zu entschuldigen, bleibt rätselhaft. Denn genau auf eine solche Entschuldigung hatten die Menschen in Ruanda gewartet – sie hätte dazu beitragen können, diesen schrecklichen Völkermord besser aufzuarbeiten. Der Besuch des französischen Präsidenten wäre allerdings bemerkenswert gewesen, hätte er tatsächlich eine Entschuldigung formuliert, statt sich in rhetorischen Spitzfindigkeiten zu üben, um genau das zu vermeiden – eine Entschuldigung. Aber, wie bereits eingangs gesagt, die Schatten der Kolonialzeit sind lang.

Die Emanzipation des afrikanischen Kontinents erfordert ein Ende der faktisch immer noch andauernden Kolonialzeit. Nach wie vor beuten europäische und internationale Gruppen den Kontinent aus, selbst reiche Länder wie Nigeria profitieren nicht von ihren Bodenschätzen, weil europäische Konzerne diese ausbeuten und brutale, korrupte Regimes finanzieren, die ihnen genau diese Ausbeutung ermöglichen. Dies ist nach wie vor in vielen afrikanischen Staaten der Fall und die Präsenz europäischer Truppen in afrikanischen Ländern dient nicht etwa wie behauptet der „Bekämpfung des Terrorismus“, sondern dem Schutz europäischer Wirtschaftsinteressen.

Es ist allerhöchste Zeit, die Beziehungen zwischen den Kontinenten neu zu definieren. Dies sollte auf gleicher Augenhöhe geschehen, ohne rhetorische Pirouetten, mit denen die Opfer der europäischen Kolonialpolitik weiter verhöhnt werden.

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