Europa ist noch weit weg…

Seit der Ankündigung der Fusion der Zugsparten von Alstom und Siemens sind die Franzosen empört. Genau wie die Deutschen nach der Übernahme von Opel durch PSA.

Durch die Fusion Alstom-Siemens können die Europäer endlich wieder mit den Chinesen konkurrieren. Foto: Travelarz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es ist schon irgendwie seltsam. Als der französische Konzern PSA vor wenigen Wochen die deutsche Traditionsmarke Opel übernahm, gab es etliche Reaktionen, die den „Ausverkauf“ nach Frankreich bekrittelten. Dabei war Opel schon lange keine deutsche Traditionsmarke mehr, sondern gehörte den Amerikanern von General Motors. Genauso seltsam wie die deutschen Reaktionen auf die Übernahme von Opel sind nun die französischen Reaktionen auf die Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom. Dabei macht diese Fusion absolut Sinn.

Denn der internationale Wettbewerb im Zugbereich ist härter geworden, speziell durch die Konkurrenz aus China, die mittlerweile die Europäer sowohl im Umsatz als auch in der Rentabilität weit abgehängt hat. Der chinesische Branchenprimus CRRC protzt mit einem Umsatz von über 18 Milliarden Euro, während Alstom und Siemens zusammen auf knapp über 15 Milliarden Euro Umsatz und damit international wieder ins Rennen kämen.

Bei der Fusion der beiden europäischen Unternehmen handelt es sich nicht etwa um eine Übernahme, sondern um eine Fusion, auch, wenn Siemens eine geringe Aktienmehrheit halten wird. Warum also die Aufregung, wo doch ein europäischer Konzern entstehen wird, der insgesamt die europäische Wirtschaft (denn an Siemens und Alstom hängen natürlich auch zahlreiche Lieferanten und andere Dienstleister) strken wird? Schlägt hier doch wieder dieser diffuse Nationalismus durch, der uns momentan Wahlergebnisse beschert, bei denen sich der Magen umdreht?

Beide Unternehmen versuchen, diese Fusion so sozialverträglich wie möglich zu gestalten – die Belegschaften erhalten eine vierjährige Jobgarantie, was bei solchen Fusionen eigentlich eher ungewöhnlich ist. Gleichzeitig erhoffen sich die beiden neuen Partner (die vorher im scharfen Wettbewerb zueinander standen) Einsparungen in Höhe von jährlich 470 Millionen Euro.

Was also ist so schrecklich an dieser Fusion, sieht man einmal von einer grundsätzlichen und zulässigen Kritik am Kapitalismus und den Folgen der Globalisierung ab? Interessant ist, dass sich die Reaktionen nach der Opel-Übernahme und dieser aktuellen Fusion stark ähneln. Es herrscht das Gefühl vor, es fände ein Ausverkauf der nationalen Wirtschaft statt. Aber hallo! Genau dieser findet bereits seit Jahren statt! Internationale Investoren bestimmen schon lange, wo es in europäischen Großkonzernen langgeht – und plötzlich entdeckt man, dass diese Globalisierung tatsächlich stattfindet. Dabei sind Alstom und Opel gute Beispiele – Traditionsunternehmen, die lange zum Wirtschaftsleben und dem Image der jeweiligen Länder beigetragen haben. Alstom ist das Unternehmen, das den TGV entwickelt hat, Opel-Fahrzeuge fahren durch die ganze Welt. Seit Jahrzehnten. Und nun wechseln diese Marken die Farbe ihrer Pässe?

Wie kann man gleichzeitig „mehr Europa“ fordern und sich gegen diese Fusion positionieren? Durch diese Fusion wird vor allem CRRC unter Druck gesetzt und die europäische Zugindustrie im internationalen Wettbewerb gestärkt. Was dann am Ende des Tages gar nicht so skandalös ist, wie einige Wirtschaftsnationalisten glauben machen wollen.

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