Europa schafft sich selber ab…

Das im Vorfeld zum „wichtigsten Gipfel“ in der Geschichte der EU hochgejazzte Brüsseler Spitzentreffen hätte man sich getrost schenken können. Die Ineffizienz Europas ist bemitleidenswert.

David Cameron, Dinald Tusk, François Hollande - ce ne sont pas eux qui sauveront l'Europe. Foto: (c) Présidence de la République / M. Etchegoyen

(KL) – Was war das denn? Zwei Tage Brüsseler Gipfel, mit einem „Nicht-Ergebnis“, das bereits in der ersten Nacht feststand und das europäische Spitzenpersonal kommentiert sein kollektives Versagen auch noch mit zufriedenen Kommentaren. Genau so schafft man es, dass die Europäerinnen und Europäer das „institutionelle Europa“ nicht mehr als ernst zu nehmende Größe wahrnehmen. Weder das Hauptthema (die Flüchtlingsthematik) noch das „Nebenthema“, der „Brexit“ oder „Bremain“, kamen zu irgendwelchen Lösungen, die zu Optimismus Anlass geben würden. Europa versagt einmal mehr auf ganzer Linie.

Im Vorfeld des Brüsseler Gipfels waren sich alle einig – es ist ein „Schicksalsgipfel“, für einen gemeinsamen Ansatz in der Flüchtlingsfrage, für die Frage des europäischen Zusammenhalts, für Angela Merkel, für Schengen, für alles und jeden. Bereits vor Wochen fokussierte sich alles auf diesen Gipfel, doch es kam nichts dabei heraus, außer einem angedeuteten Kniefall vor David Cameron, der dann als Dankeschön für die völlig unverständlichen Zugeständnisse an Großbritannien den 23. Juni als Termin für das Referendum über den Ausstieg Großbritanniens aus der EU festlegte. Was die Flüchtlingsfrage anbelangt, einigte man sich bereits am ersten Tag darauf, dass man sich nicht einigen könne und vertagte das brennend aktuelle Thema auf den Monat März.

Doch mit „Aussitzen“ wird man diese europäische Krise nicht mehr in den Griff bekommen. Heute ist der „Schengen-Raum“, also das Herz Europas, in dem die Personenfreizügigkeit gelten sollte, längst abgeschafft. Europas Grenzen sind wieder geschlossen und wenn man bedenkt, dass „Schengen“ jahrelang als das Positivbeispiel dessen angeführt wurde, was Europa im Sinne seiner 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger auf die Reihe bekommen hat, dann ist alleine schon die neuerliche Schließung der europäischen Binnengrenzen eine Art Offenbarungseid der europäischen Institutionen. Dabei, so zeigte letzte Woche die „Bertelsmann-Studie“, möchte eine überwältigende Mehrheit genau diese europäischen Errungenschaften wie „Schengen“ gerne beibehalten, will die Flüchtlingsfrage solidarisch und europäisch regeln, nur – die von uns gewählten Volksvertreter führen eine Politik, die uns jeden Tag ein Stückchen weiter von Europa entfernt.

Im Grunde ist es fast schon egal, ob die Briten am 23. Juni für oder gegen Europa stimmen – der Schaden, den David Cameron für Europa angerichtet hat, ist schon passiert. Denn Cameron hat den Beweis erbracht, dass Europa erpressbar ist und wer sollte zukünftig andere EU-Mitglieder davon abhalten, europäische Grundprinzipien auszuhebeln, wenn dies ihren nationalen Interessen entspricht? Offenbar reicht die Drohung, den „europäischen Club“ verlassen zu wollen, um Europa dazu zu bringen, seine heiligsten Prinzipien zu opfern. Ein Beispiel, das Schule machen wird.

Das alles ist nicht nur ärgerlich, sondern katastrophal. Europa ist nicht nur handlungsunfähig geworden, sondern rollt auch noch denjenigen den roten Teppich aus, die am engagiertesten daran arbeiten, unseren Kontinent wieder zurück ins finstere Zeitalter der Nationalstaaten zu führen. Und dieses Zeitalter der Nationalstaaten, das unser Kontinent bereits rund 2000 Jahre lang erlebt hat, war ein Zeitalter von Neid, Hass und Krieg. Dass nun ausgerechnet diejenigen Institutionen zu Fall gebracht werden, die (Kern-)Europa die längste Friedensperiode gebracht haben, die diese Region der Welt je erlebt hat, ist kurzsichtig, unverantwortlich und ehrlich gesagt, auch ziemlich dämlich.

Egal, wie wohl formuliert die Presseverlautbarungen der handelnden Personen nach dem Gipfel auch gewesen sein mögen, so täuschen sie niemanden mehr. Europa hat seine Nagelprobe nicht bestanden und baut sich selbst gerade im Tagesrhythmus Stück für Stück ab. An die Nase müssen wir uns allerdings alle selber fassen – denn wir haben die Leute gewählt, die sich als unfähig erweisen, Europa, den Frieden und die Zukunftsperspektiven unseres Kontinents zu retten. Ob die Zeit noch ausreicht, um durch massive Wechsel bei den nächsten Wahlen noch etwas zu retten, steht in den Sternen. Nur eines ist klar – wenn wir das aktuelle Personal beibehalten, sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene, dann wird es nichts mehr mit Europa.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste