Europa schläft seinen Sommerschlaf. Doch das Leben geht weiter.

Es ist Sommerpause. Die Politiker genießen ihren „wohl verdienten“ Urlaub und kümmern sich weitestgehend um nichts. Als ob das Leben genau so Urlaub machen würde wie sie.

Schön, dass die europäische Politik zwei Monate Pause macht. Blöd, dass die Krisen das nicht genau so machen. Foto: Jorma Bork / www.pixelio.de

(KL) – Es fehlt momentan an allem, nicht aber an brisanten Themen. Europa steht gleich vor mehreren Scheidewegen, an denen sich die Zukunft der europäischen Institutionen entscheiden wird, ja, die Zukunft des Kontinents. Doch irgendwie ist es so, als sei sich Europa gerade selbst überlassen. Die Politik ist schließlich im Urlaub. Und da müssen die Krisen eben warten, bis alle braungebrannt wieder in ihren Parlamenten hocken. Nur – die Krisen warten eben doch nicht.

In Europa brennt es – die Krise in Griechenland ist alles andere als gelöst, die Briten bereiten im Eiltempo ihre Volksabstimmung über den Austritt aus der EU vor, vor den Toren Europas brennt es. Die Türkei befindet sich in einer Art unerklärtem Krieg, ebenso wie die Ostukraine, die Flüchtlingsproblematik gleitet der Politik langsam aus den Händen, im Mittelmeer ertrinken weiter Hunderte, Tausende Menschen. Aber Hauptsache, unsere Politiker erholen sich von ihrem anstrengenden Job an der Côte d’Azur, an der Nordsee oder in der Dominikanischen Republik.

Die zwei Monate Sommerpause waren früher noch die Saison, in der sich politische Hinterbänkler versuchten zu profilieren. Doch selbst das ist inzwischen vorbei. Wie der SPIEGEL Online-Kommentator Jakob Augstein ganz richtig schreibt, ist unter der großen Koalition in Deutschland die Demokratie eingeschlafen. Und in Frankreich und den anderen großen Ländern Europas gleich mit. Wüsste man es nicht besser, könnte man fast meinen, es gäbe gar keine Sommerpause. Denn die Menschen haben sich aus den politischen Themen unserer Zeit mehrheitlich verabschiedet. Was ein ganz schlechtes Zeichen für eine lebendige Demokratie ist, die von konträren Meinungen und Debatten lebt. Nicht aber von einem zähen Konsens, in dem alle politischen Parteien längst ihr Profil aufgegeben haben, um ein Stückchen vom großen Kuchen der Macht abzubekommen.

Fast bekommt man ein wenig Sympathie mit den verschrobenen älteren Herrschaften, die tapfer in den Innenstädten christliche Pamphlete anbieten, auf denen der große Titel „Erwache!“ steht. Denn genau das sollten wir alle zusammen tun, spätestens, wenn die Ferien vorbei sind. Denn nichts ist gefährlicher für den Fortbestand der Demokratie in Europa, als das schulterzuckende Wegschauen.

Europa geht es schlecht, es steht vor dem Auseinanderbrechen. Humanistische Werte sind dem Wohlergehen der Finanzmärkte geopfert worden und wir stumpfen immer mehr gegen all die menschlichen Tragödien ab, die sich Tag für Tag vor unserer Haustür abspielen. Auch, wenn sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger dankenswerterweise in Initiativen, Vereinen und Gruppen engagieren, die versuchen, die gröbsten Missstände in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, so reicht dieses Engagement bei weitem nicht aus. Vor allem so lange nicht, wie die Entscheidungen der Politik all dieses Engagement mit einem Federstrich zunichte machen.

Nehmen wir uns also vor, uns nach den Ferien zu engagieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass die große Politik das zerstört, was die Menschen längst in ihr persönliches Leben integriert haben – den Frieden in Europa, die Offenheit für Menschen anderer Nationen, Kulturen und Religionen, die Solidarität zwischen den Völkern Europas. Wir müssen anfangen, uns gegen diese Politik, die den neuen Nationalismus, den Ausländerhass und soziale Ungerechtigkeiten fördert, zu wehren. Andernfalls geht Europa den Bach ‘runter und mit ihm alle Länder Europas. Diese Entwicklung hat bereits begonnen und sie zu stoppen, wird ziemlich schwer. Doch wenn wir nicht jetzt damit anfangen, wann dann?

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