Europäische Corona-Kakophonie

In allen europäischen Ländern herrschen unterschiedliche Corona-, Ein- und Ausreise-Regeln, die sich teilweise gegenseitig aufheben und keinerlei Aussicht auf Besserung bieten.

Ausgerechnet jetzt, wo wir Europa am meisten bräuchten, findet Europa nicht statt... Foto: Bearas / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Seit vielen Monaten stricken alle europäischen Regierungen an den unterschiedlichsten Corona-Regelungen, die allesamt inkompatibel sind und im Grunde eine Bankrotterklärung für die Europäische Union. Denn die Aussage „Gesundheit ist Angelegenheit der Mitgliedsstaaten“ ist dadurch hinfällig geworden, dass wir es mit einem Virus zu tun haben, das sich herzlich wenig um Landesgrenzen und nationale Zuständigkeiten kümmert. Abgesehen davon, dass inzwischen kaum noch jemand in diesem Wirrwarr der Maßnahmen durchblickt, sorgt das Fehlen einer kontinentalen Strategie dafür, dass die lokal, regional und national getroffenen Maßnahmen keinerlei Aussicht auf Erfolg haben.

Die Inzidenzen (die plötzlich keine Aussagekraft für die Entwicklung der Pandemie haben sollen) verlaufen im Zick-Zack, die Einstufungen in die verschiedenen Risikozonen ändern sich schneller als das Wetter und die Vorschriften für Ein- und Ausreise in und aus den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten ändern sich ebenso schnell. Die Regierungen ziehen die Schrauben an und verhängen immer schärfere Restriktionen, erlauben aber andererseits die Durchführung von Volksfesten oder Fußballspielen in vollen Stadien, in denen man über Dinge wie Maskenpflicht oder Barriere-Gesten nur schmunzelt. Verständlich ist an der Situation kaum noch etwas.

Es ist unglaublich, dass man sich, statt auf europäischer Ebene diese in dieser Form noch nie dagewesene Krise gemeinsam zu bekämpfen, auf Paragraphen zurückzieht. Ja, es stimmt, die Zuständigkeit für das Gesundheitswesen liegt bei den Mitgliedsstaaten. Die allesamt von dieser Krise völlig überfordert sind. Dass die Regierungen in einer solchen Situation nicht auf die Idee kommen, wenigstens ihre Maßnahmen zu koordinieren und zu harmonisieren, ist nicht mehr nachvollziehbar.

In Europa leben rund 35 % der Bevölkerung in Grenzregionen, in denen seit vielen Jahren, zum Glück, ein reger, grenzüberschreitender Lebensstil herrscht. Die Menschen sind es gewohnt, sich auf beiden Seiten der früheren Grenzen zu bewegen und da ist es logisch, dass sie sich auf diejenige Seite begeben, auf der gerade weniger strikte Vorschriften herrschen.

Warum sollte ein nicht geimpfter Elsässer auch nicht nach Baden fahren und einen Kaffee auf einer Terrasse in der Sonne trinken, was ihm im eigenen Land verwehrt ist? Nur – mit dieser fehlenden Abstimmung schafft man genau die Schlupflöcher für das Virus, das dieses dankbar annimmt. Also sind die Maßnahmen, die auf beiden Seiten der Grenze getroffen wurden, schlicht nutzlos.

Und auch auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen, da wir dies häufig schreiben – nach anderthalb Jahren der erfolglosen Maßnahmen könnte sich langsam die Erkenntnis durchsetzen, dass man eine Pandemie nicht lokale, regional oder national bekämpfen kann. Kurzzeitige Besserungen in einer Region oder einem Land sind nicht mehr als Momentaufnahmen, doch keineswegs ein Hinweis darauf, dass man die Pandemie nun im Griff hat.

Doch was nützen die europäischen Sonntagsreden unserer Politiker, wenn Europa genau dann versagt, wo es am meisten gebraucht würde? Was ist so schwer daran zu begreifen, dass man ein weltweites sanitäres Problem nicht in Landkreisen bekämpfen kann? Wieso verstehen die Verantwortlichen nicht, dass all diese Maßnahmen, Einschränkungen, Strafandrohungen nichts bringen, solange sie individuell und regional getroffen werden?

Seit anderthalb Jahren vergiftet diese Pandemie unser aller Leben. Dass unsere Verantwortlichen immer noch glauben, dass es sich um eine Art Wettbewerb zwischen den Ländern handelt, und nicht um ein gemeinsames Problem, das nur durch eine gemeinsame Antwort gelöst werden kann, sagt eigentlich nur eines aus – wir haben in allen Ländern die falschen Leute in die Regierungen gewählt.

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