Europäisches Wochenende

Am Wochenende konnte man an vielen Schauplätzen beobachten, wie es gerade um Europa und die europäische Einigkeit bestellt ist. Nicht so richtig toll.

Seit 1877 hat sich viel getan in Europa. Oder auch nicht. Foto: Frederick W. Rose, artist / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Pandemie und Ukraine-Krieg zeigen schonungslos auf, was in Europa nicht funktioniert. Und das ist fast alles. Wo man am Wochenende auch hinschaute, überall erkannte man europäische Auflösungserscheinungen. Es wird allerhöchste Zeit, das Regelwerk der europäischen Institutionen zu reformieren. Denn momentan gibt es nur eine Konstante zwischen den europäischen und internationalen Institutionen: Sie funktionieren nicht.

Nehmen wir das Beispiel Türkei. Deren Präsidialdiktator Recep Tayyip Erdogan blockiert gerade im Alleingang die NATO-Aufnahme Schwedens und Finnlands, nicht etwa, weil er das erhöhte Sicherheitsbedürfnis er skandinavischen Staaten in Frage stellen würde, sondern um sich in seinem ganz persönlichen Krieg gegen die Kurden Vorteile zu verhandeln, ob er diese sich nun in Syrien, im Irak, in der Türkei oder in Finnland und Schweden verfolgt. Es ist erstaunlich, wie lange sich die internationale Gemeinschaft von Erdogan am Nasenring durch die Manege führen lässt. Die geostrategische Lage zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten ist so günstig für die Türkei, dass sich Erdogan alles erlauben kann. Und die europïschen Institutionen und auch die NATO können nur hilflos zuschauen.

Oder schauen wir auf die bilateralen Versuche, der Ukraine zu helfen, aber weiterhin russische Energieträger zu kaufen und auch Geld mit Waffensystemen zu verdienen. Jeder kocht inzwischen sein eigenes russisches Süppchen, Ungarn wird weiter, sogar über eine dedizierte Pipeline, russisches Öl importieren, Deutschland und andere Länder russisches Gas, man hat Mittel und Wege gefunden, Putin wunschgemäß in Rubel zu bezahlen, was die russische Währung derart stärkt, dass viele der Sanktionen wirkungslos verpuffen. So richtig nachvollziehbar ist das alles nicht.

Interessant auch, wie sich am Wochenende Serbien aus dem Kreis der EU-Beitrittskandidaten verabschiedete. Neue Abkommen mit Russland, öffentliches Bedauern, „dass man sich wohl bald so verhalten müsse, wie der Westen es vorschreibt“. Dass man sich mit dieser Anbiederei an Putin keine Illusionen mehr über einen EU-Beitritt machen muss, ist klar. Ein Dossier weniger in Brüssel.

Und dann gab es am Wochenende noch etwas Uneuropäisches, über das man schon wieder schmunzeln kann. Der britische Premierminister Boris Johnson plant ernsthaft, zu den gerade erst überwundenen, anachronistischen britischen Maßeinheiten zurückzukehren. Also Pint, Ounce, Yard, wie in düsteren Vorzeiten, inkompatibel mit allen internationalen Standards, was den ohnehin schon angeschlagenen britischen Handelsbeziehungen einen weiteren, wie immer unnötigen Schlag versetzen wird. Dass die Briten nicht dagegen aufbegehren, was dieser Politclown mit dem Vereinten Königreich anstellt, ist erstaunlich.

Ach ja, und dann war da auch der Ukraine-Krieg. Viel Propaganda. Viele Angriffe. Viel Leid. Für Ruhm und Ehre des Vaterlands. Wie immer. Ein ganz normales europäisches Wochenende.

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