Europarat: Eine neue Eiszeit zwischen Ost und West

Aserbaidschan übernimmt im Turnus die Präsidentschaft im Europarat für sechs Monate. Das gefällt aber nicht allen. Verständlich.

Der Präsident von Aserbaidschan gestern vor dem Europarat. Müssen Diktatoren eigentlich solche hässlichen Bärtchen tragen? Foto: © Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Die Beziehungen zwischen Ost- und Westeuropa sind gerade mehr als gespannt. Russland darf im Moment im Europarat nicht mit abstimmen, da die Annektierung der Krim als illegal betrachtet wird. Doch die Spannungen bestehen auch zwischen den Ländern der EU und beispielsweise Aserbaidschan, das ausgerechnet jetzt die Präsidentschaft im Europarat für sechs Monate innehat.

Somit war auch der gestrige Besuch des Präsidenten von Aserbaidschan Ilham Aliyev alles andere als eine herzliche Angelegenheit. Immerhin begab sich ein leibhaftiger Diktator ans Rednerpult, der sein Land im eisernen Würgegriff hält und trotz seiner Charmeoffensive mit der Ausrichtung des Grand Prix de la Chanson vor nicht langer Zeit nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass er und seine Tochter Milliardenvermögen zusammen gerafft haben und ihr Volk ausbeuten und drangsalieren. Wobei man sagen muss, dass alleine die Körperhaltung von Aliyev ein große Missachtung der Institution darstellte.

Doch damit hat die Eiszeit zwischen der EU und Aserbaidschan nur am Rande zu tun. Richtig Ärger gab es, als der französische Sozialist René Rouquet, der Präsident der französischen Parlamentariergruppe in der Vollversammlung des Europarats ist, in Aserbaidschan sein Visum abgenommen bekam, da er zuvor die separatistische armenische Enklave Berg-Karabach besucht hatte. Somit konnte er nicht an einer Sitzung einer Arbeitsgruppe des Europarats in der Hauptstadt Baku teilnehmen. Einen hohen Abgeordneten des Europarats an der Ausübung seines Mandats zu hindern, das war dann ein bisschen viel.

Sehr gradlinig reagiert nun die Stadt Straßburg. Normalerweise organisiert die Stadt immer ein spezielles Programm rund um das Land, das gerade die Präsidentschaft innehat, mit Kultur, Gastronomie und einer in den Farben dieses Landes geschmückten Tram. Für Aserbaidschan gibt es – nichts. Die Stadt hat alle entsprechenden Veranstaltungen annulliert.

Die für internationale Angelegenheiten zuständige Bürgermeisterin Nawel Rafik erklärte diese bislang beispiellose Maßnahme damit, dass die europäische Hauptstadt Straßburg zwar immer den Dialog suchen und ermöglichen will, weswegen die Annullierung des Programms auch nichts mit der Situation der Menschenrechte in Aserbaidschan zu tun hat, sondern dass Straßburg keinen direkten Angriff auf die Arbeit des Europarats akzeptieren kann. Das ist mutig und eine klare Ansage – mutiger und klarer als manches, was aus dem Europarat selbst kommt.

Diese klare Haltung verdient Respekt. Genau so muss Straßburg seine Rolle als Hauptstadt des humanistischen Europas auch wahrnehmen – mit klaren und europapolitischen Positionierungen. Dass man Diktaturen keine Plattform zur Selbstdarstellung bietet, ist genau die richtige Entscheidung.

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