Europawahl: Ja, auch Frankreich hat gewählt…

… allerdings leider nicht für die Neubesetzung des Europäischen Parlaments, sondern lediglich zur Ermittlung, wo die Parteien in Frankreich innenpolitisch stehen. Einmal mehr: Thema verfehlt, setzen, 6.

Erstaunlich, dass die französischen Wählerinnen und Wähler der rechtsextremen Marine Le Pen immer wieder auf den Leim gehen. Beunruhigend. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Was gestern in Frankreich stattfand, hatte mit dem Thema Europa nicht viel zu tun. Dass es sich am Ende um ein innerfranzösisches Duell zwischen dem rechtsextremen Rassemblement National (ex-Front National) und der Regierungspartei LREM handelte, daran waren die Spitzenkräfte der Parteien selbst Schuld. Präsident Emmanuel Macron (LREM) hatte seine Spitzenkandidatin Nathalie Loiseau von den Wahlkampfplakaten verbannt und sein eigenes Konterfei darauf gesetzt und damit selbst dafür gesorgt, dass die Franzosen gestern in erster Linie ihrer Meinung Ausdruck gaben, ob sie mit Macron zufrieden sind oder nicht. Dieses Armdrücken ging allerdings nach hinten los und die Rechtsextremen gewannen am Ende sogar deutlich – zum zweiten Mal sind die Rechtsextremen in Frankreich bei einer Europawahl die stärkste Partei.

Das Rassemblement National erreichte mit 25,9 % ihr Rekordergebnis, LREM kam mit 21,1 % auf den zweiten Platz. Eine große Überraschung war das gute Abschneiden der Grünen (EELV), die mit 12,4 % klar über den Umfragen liegen und mit diesem Ergebnis den europäischen Trend bestätigen. Die restlichen Parteien brachen alle mehr oder weniger ein. Die Konservativen (LR) rutschten auf 8,3 % ab (was bedeutet, dass die elsässische Abgeordnete Anne Sander auf Platz 8 ihrer Liste scheitert – LR entsendet nur 7 Abgeordnete ins neue Parlament), die linksextreme LFI, die zwischenzeitlich von bis zu 20 % geträumt hatte, landet bei 6,3 %, die Liste „Envie d’Europe“, in der sich die von Selbstzweifeln zernagten Sozialisten unter den Flügel des Pariser Debattierclubs „Place Publique“ begeben hatten, schaffte mit 5,9 % gerade mal den Einzug ins Parlament und alle anderen werden unter „ferner liefen“ aufgeführt.

Interessant ist, dass die beiden Listen der „Gelbwesten“ zusammen auf weniger als 1 % der Stimmen kamen. Die eine der beiden Listen, die vom Rechtsradikalen Florian Philippot angeführt wurde, erreichte 0,73 % der Stimmen, die andere unter Führung des Extremisten Christophe Chalençon erreichte 0,01 %. Erstaunliche Ergebnisse für eine Bewegung, die von sich selbst behauptet, sie sei „das französische Volk“ und die verkündet, dass drei Viertel der Franzosen hinter ihr stehen. Mit 0,74 % der Stimmen kann man dieses Märchen nun auch zu den Akten legen.

Aber was bedeutet das französische Ergebnis der Europawahl 2019? So traurig es klingt – nichts. Die Europawahl 2019 war in Frankreich keine Europawahl, sondern eine innerfranzösische Abstimmung. So wunderte sich auch niemand, dass in den unvermeidlichen Elefantenrunden am Wahlabend das Thema Europa praktisch nicht vorkam, dafür aber RN-Chefin Marine Le Pen die Auflösung des französischen Parlaments und Neuwahlen forderte.

Doch dadurch, dass sich die Franzosen von ihren Parteien in einen innenpolitischen Wahllkampf haben ziehen lassen, werden sie im nächsten Europäischen Parlament nicht unbedingt von Spitzenkräften vertreten sein. Das Rassemblement National wird wieder eine Reihe Abgeordnete entsenden, die in erster Linie versuchen, europäische Politik zu sabotieren, LREM wird mit der bereits als Europaministerin gescheiterten Nathalie Loiseau denkbar schlecht in der ALDE-Gruppe vertreten sein, wo auch Frau Loiseau lernen werden muss, sich einem Guy Verhofstad unterzuordnen, die Sozialisten werden mit einem Miniteam antreten, das zur Hälfte aus Amateuren besteht, die Konservativen werden ebenfalls mit einer besseren Eishockey-Mannschaft im Parlament vertreten sein und einzig die Grünen werden mit Yannick Jadot und Michèle Rivasi an der Spitze erfahrene und erfolgreiche Europapolitiker ins Rennen schicken. Dass die Grünen mit das beste Ergebnis eingefahren haben, liegt daran, dass sie einen Europawahlkampf geführt haben – ähnlich wie in anderen Ländern.

Soweit die Ergebnisse aus Frankreich. Angesichts des späten Eintreffens aller Ergebnisse lesen Sie die Analysen und Ergebnisse aus den anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten Dienstag und Mittwoch auf Eurojournalist(e). Doch eine tolle Zahl wollen wir Ihnen nicht vorenthalten – wie in Deutschland lag auch in Frankreich die Wahlbeteiligung rund 10 % höher als bei der letzten Europawahl 2014. Anscheinend interessieren sich die Menschen für Europa und unser gemeinsames Schicksal. Die einzigen, die bei dieser Europawahl absolut nicht auf der Höhe waren, sind die politischen Parteien. Die offenbar immer noch nicht verstanden haben, was gerade in Europa und in ihren Ländern passiert.

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