EuTalk: Ukraine-Russland – warum muss man sich vor dem 21. April fürchten?

Will Moskau nur die Muskeln spielen lassen oder plant man eine neue feindliche Aktion gegenüber der Ukraine, wie die Annektierung der Krim vor 7 Jahren und dem Beginn der Feindseligkeiten im Osten der Ukraine? Die Antwort gibt es am 21. April.

Bereitet der Kreml-Chef gerade die Annektierung des Donbass vor? Foto: The Presidential Press and Information Office / Wikimedia Commons / CC-BY 4.0

(Olivier Védrine / EuTalk / KL) – Auch, wenn man das im Westen nicht gerne hört, so ist der 2014 begonnene Krieg zwischen Russland und der Ukraine im Donbass nie zu Ende gegangen. Aufgrund ihrer Vogel-Strauß-Strategie im Bereich der Außenpolitik haben es Europa und die USA lediglich geschafft, Wladimir Putin das Gefühl der Straffreiheit zu geben, was die aktuelle Verschärfung des Konflikts erst ermöglicht hat. Das Absinken der Popularität des Kreml-Chefs im eigenen Land gehört ebenfalls zu den Parametern, die berücksichtigt werden müssen. Der Kriegsschauplatz Ukraine könnte Putin helfen, seine Position gegenüber der Wählerschaft zu verbessern, so, wie er es bereits 2014 mit der Annektierung der Krim geschafft hatte, indem er dieses Mal die sogenannten Republiken Donetsk (RPD) und Luhansk (RPL) annektiert oder deren „Unabhängigkeit“ anerkennt. Es wäre nicht das erste Mal – in der Vergangenheit hat diese Taktik in Transnistrien, Abchasien und Süd-Ossetien geklappt und auch dieses Mal könnte dieser Plan aufgehen.

Warum zieht Putin Armeekräfte an der ukrainischen Grenze zusammen? – Der Kreml bestreitet die starke Militärpräsenz an der Westgrenze zur Ukraine nicht, allerdings weist man offiziell jegliche kriegerische Absicht weit von sich… allerdings kündigt Moskau auch an, dass die Truppen dort so lange stationiert bleiben, wie man dies für notwendig erachtet. Laut Präsident Putin ist Kiew für den Dominoeffekt „gefährlicher, provokativer Aktionen“ verantwortlich, da die Ukraine entgegen des Minsker Abkommens versäumt habe, ihrer Verpflichtung nachzukommen, das Problem des Donbass zu lösen. Moskau beschleunigt gerade die Verlegung von Truppen auf die Krim und an die russisch-ukrainische Grenze, in der Nähe der von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiete. Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky berichtet von Verlusten: Seit Beginn des Jahres sind 20 ukrainische Soldaten getötet und 57 verletzt worden, nachdem bereits 2020 fünfzig Soldaten ihr Leben verloren. Gleichzeitig intensivieren die nationalen russischen Medien, die dem Kreml nahestehen, ihre Expansions-Rhetorik, so dass ein Zusammenbruch des zerbrechlichen Gleichgewichts der internationalen Sicherheit zu befürchten steht.

„Mütterchen Russland, bring den Donbass nach Hause“: Dieser Appel von Margarita Simonian, der Geschäftsführerin des TV-Senders des Kremls Russia Today, ist zum Hauptthema, ja, zum Leitmotiv für das Russische „Donbass-Forum“ geworden, das am 28. Januar 2021 im westlichen Teil der besetzten Zone der Ukraine stattfand. Dieses Forum war der Auftakt zu einer neuen Eskalation dieses hybriden Kriegs, den das Putin-Regime gegen die Ukraine führt, nachdem im Frühjahr 2020 eine rekordverdächtige Waffenruhe von sechs Monaten vereinbart worden war.

Während dieser Zeit stieg erstaunlicherweise die Anzahl der Grenzzwischenfälle zwischen pro-russischen Kräften und der regulären ukrainischen Armee immer weiter an. Auch, wenn sich beide Seiten gegenseitig für die Eskalation des Konflikts verantwortlich machen, so ist der Zusammenhang zwischen diesem Forum und dem neuerlichen Anstieg der Gewalt nicht von der Hand zu weisen. Auch, wenn der Sprecher von Wladimir Putin, Dmitri Peskov, erklärte, dass die Aufrufe zur Annektierung des ukrainischen Donbass während dieses Forums keineswegs die offizielle Position des Kremls darstellen, so muss man festhalten, dass Margarita Simonian, die in bestimmten Kreisen als persönlicher „Goebbels“ von Putin bezeichnet wird, wohl kaum einen Aufruf zur Annektierung des Donbass lanciert hätte, wenn sie dafür nicht das Plazet des Kremls gehabt hätte. Die darauf folgenden Zwischenfälle bestätigen diese Vermutung. Dmitri Kozak, der in der präsidentiellen Verwaltung die „ukrainischen Probleme“ überwacht, hat erst kürzlich erklärt, dass Russland gezwungen sein könnte, die Bürger des Donbass zu schützen, denen seit dem 14. Juni 2019 mehr als 600.000 russische Pässe ausgestellt wurden.

Wird Putin am 21. April die Annektierung des Donbass verkünden? – Eine Ankündigung der Annektierung –oder der Anerkennung der „Unabhängigkeit“- des Donbass bei seiner Präsidial-Ansprache am 21. April vor der Föderalen Versammlung, würde einen großen propagandistischen Erfolg für Putin darstellen, zwei Tage vor der jährlichen Feier der Annektierung der Krim. Dazu findet nur wenige Tage nach der Ansprache des Kreml-Chefs die Sitzung des Föderationsrats statt, die eine Annektierung des Donbass bestätigen könnte, was ihr einen legalen Anstrich verleihen und eine Stärkung des Präsidenten im Vorfeld der Parlamentswahlen im September 2021 bedeuten könnte. Die Drohkulisse einer weiteren militärischen Eskalation könnte auch als Hebel für weitere Verhandlungen mit dem Westen dienen, sowohl auf regionaler, wie auf internationaler Ebene.

Zweifellos rechnet Wladimir Putin damit, dass der Westen sich wie immer als einzige Reaktion auf ein paar besorgte diplomatische Kommentare beschränken wird, oder aber auf in Parlamenten verabschiedete Resolutionen, die zwar die öffentliche Meinung im Westen zufrieden stellen, ansonsten aber ohne jede juristische oder faktische Wirkung bleiben. Auch, wenn die Chancen dafür objektiv sehr gering sind, so muss man dennoch hoffen, dass Brüssel und Washington dieses Mal den Kreml-Chef enttäuschen werden.

Olivier Védrine ist Professor (h.c.), Chronist für Eutalk.eu und Chefredakteur des „The Russian Monitor”. Dieser Artikel erscheint auf Eurojournalist.eu im Rahmen der Partnerschaft mit EuTalk.eu.

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