Fass ohne Boden – der Abhörskandal des BND weitet sich aus
Zuerst wurden die BND-Abhöraktionen gegen Frankreich und die EU mit dem Hinweis auf Befehle aus Washington entschuldigt – inzwischen ist klar, dass der BND auch auf eigene Faust spionierte.
(KL) – „Freunde abhören, das geht gar nicht!“, empörte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, nachdem Whistleblower Edward Snowden darüber aufgeklärt hatte, dass die amerikanische NSA sogar das Handy der Kanzlerin angezapft hatte. Doch das, „was gar nicht geht“, ging in Deutschland genauso reibungslos – der Bundesnachrichtendienst (BND) hat jahrelang Regierungseinrichtungen und Botschaften der europäischen Partner und Institutionen ausgehorcht. Was nun den Untersuchungsausschuss des Bundestags auf den Plan ruft – doch ist zweifelhaft, das dessen Arbeit am Ende auch wirklich Ergebnisse bringt.
Zu Beginn des „BND-Skandals“ stellten es die Verantwortlichen der Abhörinstitution aus Pullach so dar, als habe man lediglich Befehle vom großen Bruder aus Washington erhalten und diese dann ohne eine weitere Prüfung umgesetzt. Also jede Menge Ziele anhand der von den USA vorgegebenen Suchbegriffe („Selektoren“) abgehört. Eine Art Unaufmerksamkeit, so sagte etliche der BND-Oberen vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aus, so etwas wie ein Versehen, das natürlich gar nicht vorgekommen wäre, hätte man sich die Mühe gemacht, die von der NSA übermittelten „Selektorenlisten“ aufmerksamer zu überprüfen. Was die Aufgabe untergeordneter Beamter gewesen wäre, die eben etwas schlampig gearbeitet hätten. Sorry, kommt nicht wieder vor.
Von wegen. Der BND war, wie sich jetzt vor dem Untersuchungsausschuss herausgestellt hat, weitaus mehr als nur ein Befehlsempfänger der NSA. Abgesehen von der Frage, wieso eigentlich amerikanische Geheimdienste ihre deutschen Kollegen in Aktionen einspannen und ihnen Befehle erteilen können, wird nun deutlich, dass auch der BND auf eigene Faust die europäischen Partner ausspioniert hat. Wie war das, Frau Merkel? „Freunde ausspionieren, das geht gar nicht“?
Der Untersuchungsausschuss des Bundestags, dessen Arbeit vom ersten Tag an vom Bundeskanzleramt behindert wurde, da ein hoher Beamter bei den Anhörungen anwesend war und Zeugen immer wieder ins Wort fiel und deren Aussagen mit dem Hinweis auf „nationale Sicherheitsinteressen“ unterband, will nun agieren, doch die Ankündigungen verraten eher Hilflosigkeit. Man will eine Delegation in die BND-Zentrale nach Pullach schicken, um vor Ort zu sehen, was dort eigentlich los ist. Doch werden die Bundestagsabgeordneten, die dieser Delegation angehören werden, in Pullach nicht mehr erfahren als vor dem Ausschuss selbst – die wirklich delikaten Unterlagen dürfen sie nicht einsehen und die meisten mit den Vorgängen betrauten Beamten haben Aussageverbote.
Dazu soll bis Ende des Jahres ein neues Gesetz definieren, wer wann und unter welchen Umständen abgehört werden darf – dazu sollen, na klar, keine „Freunde“ mehr gehören. Doch die bisherige Gesetzeslage würde eigentlich schon ausreichen, die meisten der inzwischen aufgedeckten Abhöraktionen waren ohnehin illegal. Offen ist auch die Frage nach der offensichtlich nicht funktionierenden Überwachung der Geheimdienste, bei der sowohl das Bundeskanzleramt und das Innenministerium schon lange keinen Zugriff mehr auf die Geheimdienste haben, die zu einer Art „Staat im Staat“ geworden sind. Insofern dürfte auch ein neues Gesetz kein Garant dafür sein, dass sich solche Dinge nicht wiederholen, es geht wohl mehr darum, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man aktiv wird und versucht, etwas zu tun. Alleine, es wird kaum etwas nützen.
Abgesehen von der moralischen Unmöglichkeit, seine europäischen Freunde und Partner auszuspionieren, stellt sich auch die Frage nach den immensen Kosten, die dieser Überwachungsapparat verschlingt. Die Milliarden, die in Europa dafür verschleudert werden, sich gegenseitig zu bespitzeln, wären aktuell an anderen „Baustellen“ sicher besser investiert. Frustrierend ist ebenfalls der Gedanke, dass wir kaum die ganze Tragweite dieses BND/NSA-Skandals erfahren werden – hier stößt die Demokratie an Grenzen, denn wenn die gewählten Volksvertreter keinen präzisen Einblick mehr in die „Arbeit“ der Geheimdienste nehmen können, dann bedeutet das, dass sich diese verselbständigt haben und ein Eigenleben führen, das kaum im Interesse des höchsten Souveräns der Demokratie liegen kann – des Volks. Doch „das Volk“ spielt in vielen Überlegungen der Staatsräson ohnehin keine Rolle mehr…
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