Faulenzer, Zyniker & Co.

Der französische Präsident Emmanuel Macron ist ein Meister der Kommunikation. Selbst mit dem Genre „Publikumsbeschimpfung“ sammelt er Punkte…

Ein seltsamer Ton hat sich zwischen dem Elysee-Palast und den Franzosen eingeschlichen... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Man stelle sich vor, Angela Merkel würde wiederholt gegen ihr Wahlvolk, also uns, ausfällig werden. Man stelle sich vor, sie würde die Deutschen, oder genauer gesagt, diejenigen Deutschen, die sie nicht gewählt haben, als „Faulenzer und Zyniker“ bezeichnen und den Arbeitslosen anraten, sie sollen „lieber Arbeit suchen, statt Unruhe zu stiften“. Und man stelle sich vor, Angela Merkel würde sich dabei einer Ausdrucksweise bedienen, die man eher vom Türsteher einer Diskothek als von einer Regierungschefin erwarten würde – was also würde dann passieren? Klar, ihre Beliebtheitswerte würden sinken. In Frankreich ist das anders.

Denn mit genau diesen Anwürfen und in genau einem solchen Duktus („ils devraient chercher du travail au lieu de foutre le bordel“…) kommuniziert Macron gerade mit den Franzosen. Warum er das tut? Weil er ein Meister der politischen Kommunikation ist. Durch dieses etwas halbstarke Gebaren vermittelt Macron seinen Landsleuten seine eigene Toughness, seine geradezu putinsche Entschlossenheit, seine Pläne durchzusetzen und – sofort geht es mit seinen zwischenzeitlich in den Keller gesunkenen Zustimmungswerten wieder aufwärts. Von 34 auf 40 % Zustimmung, um genau zu sein.

Zustimmung und Rückhalt wird Macron auch gut brauchen können, da bisher die meisten seiner innenpolitischen Pläne etwas mit Einschnitten ins das soziale Netz der Franzosen zu tun haben. Weswegen ja auch die Gewerkschaften auf der Straße sind und die ersten Streiks beginnen. In einer solchen Situation ist es natürlich ein riesiger Schachzug von Emmanuel Macron, die Kritiker an seiner Politik als „Nichtsnutze“ zu verunglimpfen – Volkes Seele nickt und freut sich, dass endlich mal jemand Klartext redet, was offensichtlich derart in der Politik fehlt, dass man sich schon über jedes bisschen Klartext freut, auch wenn der Klartext wenig Sinnvolles transportiert. Mag diese Art der Kommunikation auch dem französischen Präsidenten und seinen persönlichen Ambitionen nützen, so spaltet er doch letztlich die französische Gesellschaft weiter. Genau wie sein Vorgänger François Hollande, der sozial Schwache als „Zahnlose“ verunglimpfte oder dessen Vorgänger Nicolas Sarkozy, der das “Gesindel” in den Vorstädten mit dem Kärcher wegspülen wollte, vertieft nun auch Macron die Gräben zwischen denen in Frankreich, denen es gut geht und denen, die am unteren Ende der Gesellschaft ihr Dasein fristen. Denn diese, zum Glück hat es der Präsident ja endlich mal laut gesagt, sind eben „Faulpelze“ und wer „Faulpelz“ sagt, impliziert damit, dass diese „Faulpelze“ den anständigen Leuten auf der Tasche liegen. Wurde aber auch Zeit, dass sich mal jemand traut, das laut und deutlich zu sagen…

Doch wie kommt es, dass Macron für seine Ausfälle von den Franzosen nicht etwa mit Liebesentzug abgestraft, sondern geradezu belohnt wird? Dies liegt unter anderem daran, dass die Franzosen gerade fast ein Jahr eines lauten, unsachlichen und aggressiven Wahlkampfs hinter sich haben, in dem ihnen alle Kandidaten weismachten, dass sich Frankreich inmitten einer gigantischen Krise befände. Was natürlich nicht stimmt, auch, wenn Themen wie Innere Sicherheit oder die Arbeitslosigkeit Aufmerksamkeit verdienen. Und irgendwann glaubten die Franzosen dann auch, dass sie sich in dieser Krise befinden und da passte es ganz gut, dass sich in Emmanuel Macron auch ein jugendlich-dynamischer Krisenmanager anbot. Und wenn der sich jetzt so aufführt wie der Red Adair der französischen Politik, dann freuen sich viele Franzosen über diese „klare Kante“.

Langfristig ist aber diese Art der politischen Kommunikation nicht ungefährlich. Das Ausgrenzen sozial Schwächerer ist zwar immer ein Garant für den Applaus der Claqueure aus etwas besser gestellten sozialen Schichten, doch führt diese Stigmatisierung ärmerer Menschen zu Rissen in der Gesellschaft, von denen niemand einen wie auch immer gearteten Nutzen ziehen kann. Und Angela Merkel? Hätte sie sich vor dem 24. September so an ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger gewandt, wäre sie heute auch Chefin. Aber nicht die Chefin der nächsten Regierung, sondern der Opposition.

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