Femke Halsema überrascht die Niederlande
Die Bürgermeisterin von Amsterdam will den Kokain-Handel verstaatlichen. Nicht, um das Kokain „hoffähig“ zu machen, sondern um die kriminellen Kartelle trockenzulegen.
(KL) – Femke Halsema lenkt seit 2018 die Geschicke der Stadt Amsterdam, was keine leichte Aufgabe ist. Doch mit ihrem neuesten Vorschlag hat sie die ganzen Niederlande überrascht und bereits heftigen Gegenwind bekommen. Sie schlägt vor, den Kokain-Markt zu regulieren und unter staatliche Kontrolle zu stellen. Dieser Vorschlag kommt zu einer Zeit, in der durch die Cannabis-Legalisierung in Deutschland wieder einmal eine europaweite und sehr kontroverse Diskussion über die Drogenpolitik ausgebrochen ist. Doch die Gründe, die Femke Halsema für ihren Vorschlag anführt, sollte man sich zumindest einmal anhören.
Ihre Aussage ist eine traurige Feststellung: „Ich denke, dass einige Drogen gefährlich sind, und ich denke auch, dass es klug ist, Drogenkonsum zu reduzieren. Aber ich merke auch, dass die Art und Weise, wie wir das tun, nicht hilft“. Ihre Aussage, dass der „Krieg gegen Drogen“ gescheitert sei und im Gegenteil dazu geführt hat, dass heute gewalttätige und milliardenschwere Kartelle bis zu 80 % der Polizei-Ressourcen in Amsterdam binden, ohne die Aktivitäten der Unterwelt auch nur im geringsten stoppen zu können, ist nur schwer zu widerlegen.
Dabei befinden sich die Niederlande in einer speziellen Situation. Die beiden Häfen Rotterdam und Antwerpen (das zwar in Belgien liegt, doch gibt es schon lange keine Grenze mehr zwischen Belgien und den Niederlanden und Teile des Hafens von Antwerpen liegen sogar im südholländischen Zeeland) sind die größten Einfallstore für Kokain aus Südamerika. Der Zustrom unglaublicher Mengen der Droge ist nicht zu stoppen und so umfangreich, dass selbst das Auffinden großer Mengen Kokain nicht einmal mehr dazu führt, dass die Verkaufspreise für die Droge steigen.
Der weltweite Umsatz mit Kokain wird auf über 300 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt, was aus dem Handel mit dieser Droge einen der größten „Industriebereich“ der Welt macht. Rund um das Kokain haben sich, nicht nur in der Herstellungsländern, sondern auch in Europa und den USA, straff organisierte Kartelle gebildet, die in den Niederlanden für Angst und Schrecken sorgen. So hob die niederländische Polizei vor einiger Zeit im südholländischen Örtchen Wouwse Plantage unterirdische Container-Anlagen eines Drogenkartells aus, wo insgesamt 7 Container als Gefängnisse für entführte Personen mit voll ausgerüsteten Folterkammern (!) entdeckt wurden. Die Brutalität dieser Kartelle wird mehr und mehr zum Problem für die Niederlande, wo die Polizei von diesem Phänomen völlig überfordert ist.
Und was schlägt Bürgermeisterin Femke Halsema konkret vor? Sie könnte sich vorstellen, „Kokain in Apotheken oder über ein medizinisches Modell zu verteilen“, sagt sie und erhielt sofort scharfe Kritik von ihrem Antwerpener Amtskollegen Bart de Wever. Dieser teilt das Argument „ist es nicht lächerlich, dass wir Drogenhandel den Kriminellen überlassen und nicht versuchen, einen Weg zu einem zivilisierten Markt zu finden?“ überhaupt nicht. Bei einem Treffen sagte Halsema jedoch dass „jeder, der ein bisschen über Wege nachdenkt, wie man den Einfluss der Drogenhändler wirklich reduziert, zu diesem Schluss (einer staatlich kontrollierten Kokain-Abgabe) kommt, dass es tatsächlich keine Alternative gibt“.
Dass dieses Thema nicht nur die Niederlande und Belgien betrifft, erkennt man daran, dass die überwiegend in den Niederlanden aktiven Kartelle ihre Aktivitäten inzwischen auch auf die Nachbarländer wie Deutschland ausweiten und auch hier den Kokain-Markt mit maximaler Gewaltbereitschaft organisieren. Die Vorstellung, eventuell eines Tages Kokain in der Apotheke kaufen zu können wie Aspirin, ist abenteuerlich, doch ist die Grundaussage von Femke Halsema, dass der „Krieg gegen die Drogen“ in seiner aktuellen Form bereits verloren ist, sicherlich richtig. Und einfach zuzusehen, wie diese Kartelle weltweit an Einfluss und Macht gewinnen, ist auch keine Lösung. Man darf gespannt sein, was aus Femke Halsemas Vorschlag wird, aber zumindest hat sie ein Problem auf den Tisch gebracht, vor dem die meisten Länder bisher die Augen verschließen.
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