Fessenheim: Falsche Hoffnungen auf eine baldige Schließung

Die französischen Politiker überschlagen sich gerade mit Ankündigungen über eine bevorstehende Schließung des Atommeilers Fessenheim. Der vermutlich so lange laufen wird, bis es zum Unfall kommt.

Warum ausgerechnet Wohnungsbauministerin Emmanuelle Cosse das Ende von Fessenheim noch im Jahr 2016 ankündigt, ist mehr als unklar. Foto: Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die Aufregung um den Atommeiler Fessenheim reißt nicht ab. Nachdem bekannt geworden war, dass der Zwischenfall am 9. April 2014 das Potential hatte, zu einem richtigen Atomunfall zu werden, laufen die Drähte zwischen Frankreich und Deutschland heiß. Deutsche Politiker schreiben fleißig Briefe an Umweltministerin Ségolène Royal oder gleich an Präsident François Hollande und die Antworten, die sie bekommen, fallen sehr unterschiedlich aus. Gestern geisterte durch die Presse, dass die Schließung noch für 2016 auf dem Programm stünde. Doch das ist ein Trugschluss.

Die deutsch-französische Auseinandersetzung zur Energiewende ist eine ideologische Auseinandersetzung, die inkompatibler nicht sein könnte. Während in Frankreich der Staatsmonopolist EdF (Electricité de France) seine Interessen in Form eines „Staatscredos für Atomenergie“ durchgesetzt hat, steht in Deutschland die Energiewende auf der Agenda, die inzwischen dafür gesorgt hat, dass weit über 20 % des deutschen Energiemixes aus erneuerbaren Energien abgedeckt werden. Zwischen einer Politik, für die 57 Atomkraftwerke den Stellenwert von Heiligen Kühen haben und einer Politik, die so schnell wie möglich aus der Atomtechnologie aussteigen will, gibt es nur wenige Gemeinsamkeiten. Und genau das merkt man in der aktuellen Diskussion um Fessenheim.

Inzwischen hat sich ungefähr jeder zu dem Thema zu Wort gemeldet, der mal wieder in den Schlagzeilen stehen will. Zum Beispiel die französische Wohnbauministerin Emmanuelle Cosse von den Grünen, die jeglichen Rückhalt in ihrer Partei verloren hat, nachdem sie bei der letzten Kabinettsumbildung diesen Ministerposten entgegen des Wunsches der Grünen angenommen hatte. Emmanuelle Cosse kündigte gestern an, „die Schließung von Fessenheim würde noch 2016 erfolgen“, was die deutschen Medien dankbar aufnahmen. Nur, Emmanuelle Cosse hat mit dem Dossier „Fessenheim“ nicht das Geringste zu tun und die Tatsache, dass sie aus der grünen Partei kommt, prädestiniert sie noch nicht dazu, eine solche Entscheidung treffen zu können, die ihr überhaupt nicht obliegt.

Zur Erinnerung – die Schließung von Fessenheim, eines der vielen Wahlversprechen von François Hollande im Jahr 2012, hängt eng mit der Betriebserlaubnis eines neuen Atomkraftwerks in Flamanville zusammen. Dieses kann aufgrund haarsträubender Fehler im Bau (das zentrale und fest verbaute Kühlbecken für die Brennelemente verträgt deren Temperaturen nicht) noch nicht ans Netz gehen, allerdings muss, damit Flamanville eines Tages in Betrieb genommen werden kann, EdF ein anderes Atomkraftwerk schließen. Doch während alle hofften, dass die Wahl auf das älteste französische Atomkraftwerk fallen würde, nämlich Fessenheim, stehen dieser Wahl wirtschaftliche Interessen entgegen. Denn Fessenheim arbeitet mit zwei Reaktoren und EdF hat nicht die Absicht, ein „doppeltes Atomkraftwerk“ zu opfern, da es genügend Meiler mit nur einem Reaktor gibt, die man für Flamanville schließen könnte. Für EdF ist diese Frage reine Mathematik – warum sollte ich zwei Reaktoren abschalten, wenn ich die Möglichkeit habe, anderswo nur einen stillzulegen?

In diesem Zusammenhang sollte man auch nicht zu sehr auf Emmanuelle Cosse hören, sondern eher auf die zuständige Umweltministerin Ségolène Royal, die nicht den Mut aufbrachte, die Schließung von Fessenheim anzuordnen, sondern den Bock zum Gärtner machte, indem sie EdF selbst die Wahl überließ, welches Atomkraftwerk im Gegenzug für die Betriebserlaubnis für Flamanville geschlossen werden soll. Und – für die vage in Aussicht gestellte Schließung von Fessenheim hat Ségolène Royal das Jahr 2018 angekündigt. Und genau da liegt das Problem.

Denn vor 2018 kommt bekanntlich noch das Jahr 2017 und in jenem Jahr finden die französischen Präsidentschaftswahlen ab. Da in Frankreich aber die regierenden Sozialisten in den Umfragen gerade ähnlich brillant dastehen wie die SPD in Baden-Württemberg, kann man getrost davon ausgehen, dass die PS 2017 die Macht verlieren wird. Und das ist das Kleingedruckte in der Ankündigung der Schließung von Fessenheim – diese wird nämlich nur stattfinden, sollten die Sozialisten 2018 noch an der Regierung sein. Im Falle eines (höchst wahrscheinlichen) Regierungswechsels haben nämlich die Konservativen bereits angekündigt, die Pläne zur Schließung von Fessenheim rückgängig machen zu wollen. Von allen denkbaren Optionen ist dies leider die wahrscheinlichste, egal, was eine Ségolène Royal oder eine Emmanuelle Cosse von sich geben.

Ansonsten sind in Frankreich die Reaktionen auf die von verschiedenen deutschen Politikern geäußerte Forderung nach der Schließung von Fessenheim (und Cattenom im französisch-saarländischen Grenzgebiet) virulent. In den sozialen Netzwerken werden die deutschen Politiker mehr oder weniger scharf aufgefordert, sich doch bitte um ihren eigenen Kram zu kümmern, und wenn die Argumente ausgehen, dann hört man Dinge wie das, was gestern Morgen der Abgeordnete aus dem oberelsässischen Cernay, Michel Sordi, von sich gegeben hat. Der sagte nämlich bei den Kollegen von Radio France Bleu Alsace, dass die deutschen Grünen sich lieber um die Skandale bei Volkswagen statt um Fessenheim kümmern sollten. Aber ob man die Gefahren von Fessenheim durch das Schüren eines primitiven Antigermanismus wirklich in den Griff bekommen kann?…

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