Fessenheim – hört denn eigentlich niemand zu?

Seit gestern geistern erschreckende Zahlen durch die Medien, wie viele Menschen von der Schließung des Atomkraftwerks Fessenheims betroffen wären. Dabei liegt die Lösung auf der Hand.

Aus Fessenheim könnte ein internationales Zentrum für den Rückbau von AKWs werden. Aber so modern will man im Elsass dann doch nicht sein. Foto: © Kai Littmann

(KL) – Nicht einmal die überzeugtesten Befürworter der Atomenergie gehen davon aus, dass AKWs ewig laufen können. Auch keine 1000 Jahre. Nicht einmal 100 Jahre. So um die 50 Jahre Lebenserwartung kalkuliert man für ein AKW – länger könnte man es ohnehin nicht betreiben, da man nicht weiß, wohin mit dem noch 25.000 Jahre strahlenden Atommüll. Insofern ist klar, dass schon in wenigen Jahren eine große Nachfrage nach Know-How und Know-How-Trägern für den Rückbau von AKWs geben wird. In Frankreich und der ganzen Welt.

Statt jammernd Zahlenwerke zu veröffentlichen, nach denen um die 2000 direkte Arbeitsplätze und damit indirekt 5000 Menschen von einer Schließung Fessenheims betroffen wären, machen sich noch nicht einmal die Betroffenen selbst für den Vorschlag stark, den schon vor längerer Zeit verschiedene Politiker wie der Straßburger OB Roland Ries, der ehemalige Präsident der CUS Jacques Bigot und andere gemacht hatten – den Umbau von Fessenheim in ein internationales Trainingszentrum für den Rückbau von Atomanlagen. Über eine solche Neuausrichtung könnten jede Menge Arbeitsplätze gerettet und sogar geschaffen werden.

Stattdessen jammert ein Bericht des staatlichen Statistikinstituts INSEE darüber, dass dem strukturschwachen Oberelsass dadurch 48 Millionen Euro Steuereinnahmen pro Jahr durch die Lappen gehen würden. Klar, so lange man nur jammert und sich nicht um moderne, für den Arbeitsmarkt und sogar die internationale Ausstrahlung (sic!) des Elsass fördernde Lösungen kümmert, so lange wird sich auch nichts tun.

Es stimmt, das Oberelsass mit seinen überholten Industrien (Textil etc.) durchlebt eine Krise. Mit vielen Arbeitslosen, vor allem unter den Jugendlichen. Umso erstaunlicher, dass die Verantwortlichen nicht die riesige Chance erkennen, mit der sich Fessenheim, das Elsass und der Oberrhein als DAS Ingenieurszentrum weltweit etablieren könnte, in einem Technologiebereich, der spätestens morgen zu einem richtigen Industriezweig werden wird.

Es reicht eben nicht, immer nur von sich selbst zu behaupten, wie modern, innovativ und europäisch man aufgestellt ist – wenn man solche Chancen verpasst, versündigt man sich an der Zukunft einer ganzen Region.

Wer heute Fessenheim weiterlaufen lässt, um 2000 Arbeitsplätze für ein paar Jahre zu sichern, nach denen diese ersatzlos wegfallen, anstatt die Situation zum Atomausstieg und Aufbau eines topmodernen Wirtschaftszweigs zu nutzen, der wird schon in wenigen Jahren zuschauen, wie andere Regionen das Rennen machen. Die Mitarbeiter von Fessenheim, die sich heute weigern, über ein solches nachhaltiges Projekt zu sprechen, werden dann vermutlich alle Mais für Biogasanlagen anbauen. Und sich ärgern, dass man so kurzsichtig und kleinkariert gedacht und gehandelt hat.

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