Fessenheim wird wohl nie geschlossen werden

(KL) – Man darf gar nicht mehr daran denken, dass eines der Themen der aktuellen französischen Regierung im Wahlkampf die Energiewende war. Denn die findet in Frankreich nicht statt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben die Sozialisten in zwei Jahren Regierungszeit keinerlei Schritte unternommen, um so etwas Ähnliches wie eine Energiewende zu bewerkstelligen, zum anderen macht der Staatsmonopolist EdF mächtigen Lobbydruck und zum dritten steigen nun die Konservativen der UMP in die Debatte ein und fordern, dass Fessenheim weiterlaufen soll.
In einem Bericht der beiden UMP-Abgeordneten Hervé Mariton (UMP) und Marc Goua (PS) kann man es nachlesen. Argument: „Angesichts der angespannten Haushaltslage ist es vorteilhaft, die vom Präsidenten zugesagte Schließung [von Fessenheim] zu verschieben.“ Die Schließung Fessenheims, so behaupten die beiden, würde „5 Milliarden Euro kosten, ohne die eigentlichen Rückbaukosten“. Wie sie auf diese Zahl kommen, das wissen vermutlich nur ihre freundlichen Berater von der Atomlobby. Zwar dementierte die französische Umweltministerin Ségolène Royal flugs diese Zahlen, allerdings nicht, um Pläne für die Schließung des ältesten französischen Atommeilers vorzulegen, sondern um festzustellen, dass seit dem (theoretischen) Beschluss der Schließung Fessenheims 500 Millionen Euro dort investiert wurden wären und dass man deshalb sehr pragmatisch schauen müsse, welches Atomkraftwerk man abschalten wolle.
Und sowieso, an eine Schließung eines Atomkraftwerks sei vor 2016 ohnehin nicht zu denken, denn erst müsse das neue AKW Flamanville ans Netz gehen, bevor man eines abschalten könne. In Normalmenschensprache heißt das: „Wir haben keine Ahnung, was da läuft, weil letztlich EdF die Entscheidungen trifft.“ Und wir gehen an dieser Stelle eine offizielle Wette mit Ségolène Royal ein. Wir setzen eine Kiste gutes badisches Tannenzäpfle-Bier gegen eine Kiste Champagner, dass bis zur Abwahl der Sozialisten, die 2017 stattfinden wird, kein einziges französisches Atomkraftwerk abgeschaltet sein wird. Nicht eines. Was dann aber auch nur ein gebrochenes Wahlversprechen mehr auf der langen Liste wäre.
Was fehlt, ist nicht das Konzept, sondern der politische Wille. Frankreich will gar keine Energiewende, da im Land die Propagandamaschine des Staatsmonopolisten EdF reibungslos funktioniert. Die Franzosen zahlen weniger für ihren Strom als die Deutschen, die 57 französischen AKWs spülen auf den internationalen Energiemärkten viel Geld in die Kassen der EdF (die den Mehrheitseigner, den Staat, mit ein paar Brotkrumen pro Jahr abspeist), den Franzosen wird suggeriert, Atomkraft sei cool und sicher und Atomkraftgegner wären körnerfressende Weicheier – und dazu ist den meisten Franzosen ziemlich egal, wo der Strom herkommt. Hauptsache aus der Steckdose.
Dreimal schon wurde ein „Kommissar für die Schließung von Fessenheim“ berufen, doch zu mehr als von Protesten aufgebrachter Bewohner des Dorfs Fessenheim begleiteter Besuch kam nie dabei heraus. Es gibt bis heute keine konkreten Pläne für die Schließung Fessenheims, dafür aber eine (nach Hollandes Amtsantritt) gerichtlich um 10 Jahre verlängerte Betriebserlaubnis für Fessenheim und in der Zwischenzeit wurde mächtig weiter in den Meiler investiert. Was nicht gerade nach politischer Entschlossenheit für die Schließung Fessenheims aussieht.
Würde man nicht selbst in der Region leben, müsste man sich fast wünschen, dass Fessenheim das gleiche Schicksal wie Three Mile Island, Tchernobyl oder Fukushima erfährt, denn offensichtlich glauben Politiker, Richter und Lobbyisten erst dann an die Gefährlichkeit von Atomenergie, wenn ihnen wieder einmal eines dieser Dinger unter dem Hintern explodiert oder es um die nicht ganz uninteressante Frage geht, wo und wie man eigentlich Unmengen Atommüll sicher für ein paar Zehntausend Jahre lagern kann. Und wer das bezahlt.
Unmoralisch ist ebenfalls die Forderung nach Entschädigungen für entgangene Gewinne, die EdF im Falle einer Schließung genauso fordert wie die deutschen Atombetreiber. Jahrzehntelang haben diese Unternehmen dank gigantischer staatlicher Subventionen (also Geld von uns allen) eine Technologie mit großem Gewinn ausbeuten dürfen, deren immense Folgekosten sie nicht nur wieder dem Gemeinwesen aufs Auge drücken wollen, nein, sie wollen auch noch entschädigt werden.
In einer Situation, wo jeder normale Bürger ein Machtwort der Politik erwartet, spürt man das Gewicht der Lobbys. Denn vor denen kuscht sogar die große Politik. Die PS und Francois Hollande haben aber Angst, ein neues gesellschaftliches Thema anzuschneiden, das die Franzosen ziemlich genau in der Mitte teilt – was bedeutet, dass mit der Schließung von Fessenheim keine Wählerstimmen abzugreifen sind. Dann kann man es ja auch lassen.
Leidtragende der Spiele von Macht, Geld und Lobbys sind die Menschen in der Region am Oberrhein. Seit langen, langen Jahren weiß man, was passiert, wenn es im ältesten Atomkraftwerk Frankreichs zu einem größeren Unfall kommt (die ungefähr 50 kleineren Unfälle, die jedes Jahr in Fessenheim passieren, sind ja laut französischer Atombehörde völlig harmlos und einer französischen Behörde muss man ja glauben…) und dennoch bürden die französischen Atomseilschaften mit Hilfe von Politik und Justiz den Menschen in Baden und der Nordwestschweiz das gleiche Risiko auf wie ihrer eigenen Bevölkerung.
Der für 2017 fest programmierte Rauswurf der unbeliebten Regierung wird am Thema Fessenheim nichts ändern. Die Konservativen sind ja ohnehin große Freunde der Atomkraft, weswegen nach dem Regierungswechsel 2017 wohl auch offiziell das Ende einer Energiewende verkündet werden wird, die in Frankreich unter Hollande nicht einmal begonnen hatte. Und wir am Oberrhein sitzen weiterhin auf dieser Zeitbombe, die einer Handvoll Menschen viel, viel Geld bringt – für das wir alle zusammen das Risiko tragen müssen.
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