Feuchte Träume von der Weimarer Republik

Recht und linke Extremisten in Deutschland entdecken ihr Herz für die französischen „Gelbwesten“. Eine Unterstützung, auf die man in Frankreich nicht unbedingt stolz sein muss.

Bei solchen Bildern bekommen auch deutsche Neonationalisten und andere Wirrköpfe feuchte Augen... Foto: ScS EJ

(KL) – Die erste, die aufmerksam über den Rhein schaute, war die Landessprecherin der AfD Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, die eine gelbe Weste tragend von einem Plakat herab lächelte und zum Besten gab: „Eines muss man den Franzosen lassen: In der Mode beweisen sie Geschmack. Ich trage jetzt gelb. Und Sie?“ Und damit waren die „gelben Westen“ in den Armen der deutschen Rechtsextremen angekommen. Und breitet sich dort jetzt aus.

Abgesehen davon, dass die Aussage der Vertreterin des Fürstenhauses von Sayn-Wittgenstein eine offene Beleidigung Frankreichs war, da sie den Franzosen außer im Bereich der Mode nicht so viel Positives abgewinnen kann, kennt die Begeisterung der deutschen Extremisten für die „Gelbwesten“ keine Grenzen.

So riefen AfD, Pegida und Identitäre Bewegung am Wochenende dazu auf, bei ihren Demonstrationen gegen den Migrationspakt ebenfalls gelbe Westen zu tragen, was dann auch viele der Ultrarechten taten. Na ja, viele… in Berlin waren rund 1000 Demonstranten und in anderen deutschen Städten zählte man die Beteiligung auch nur in Hunderten. Und manchmal in Dutzenden.

Aber was fasziniert die Ultrarechten und Neonationalisten so an dieser diffusen französischen Protestbewegung? Es ist der feuchte Traum von einer „Weimarer Republik 2.0“, den die Ewiggestrigen träumen. Gewalt von der Straße! Regierungen, die vor dem Terror der Wutbürger in die Knie gehen! Politiker, die den gewaltsam vorgetragenen Forderungen entgegen kommen! Das ist es, was die deutschen Extremisten gerne auch in Deutschland sehen würden.

Doch wo Rechtsextreme unangenehm auffallen, da sind auch Linksextreme nicht weit. So wundert sich inzwischen kaum noch jemand, dass auch Sahra Wagenknecht von der Die Linke die „Gelbwesten“ unterstützt. Genau wie in Frankreich, wo inzwischen die rechtsextreme Marine Le Pen und der Linksextreme Jean-Luc Melenchon gemeinsam gegen die Regierung kämpfen, haben jetzt auch Sahra Wagenknecht und Beatrix von Storch gemeinsame Ziele. Zwar wissen die deutschen Extremisten gar nicht so richtig, worum es in Frankreich geht, aber brennende Autos auf den Champs-Elysees, das sind die Bilder, die rechts- wie Linksextremisten gleichermaßen ansprechen.

Die französische „Gilet jaunes“-Bewegung kämpft mit genau diesem Problem. Vereinnahmt von Rechtsextremisten, Linksextremisten, Gewerkschaften, den bürgerlichen Parteien und dem gewalttätigen „Black Block“ reiben sich die „Gelbwesten“ nun selbst auf und die Stimmung beginnt nach den Gewaltexzessen von Paris zu kippen.

Die deutsche Unterstützung bis hinein in Neonazikreise ist alles andere als ehrenhaft für die französischen „Gelbwesten“ – und deren milizartiges Verhalten auf Frankreichs Straßen und Plätzen ist ebenfalls kein Pluspunkt für diejenigen, die sie unterstützen. Gewaltbereite Rechts- und Linksextreme reichen sich über den Rhein hinweg die Hand und freuen sich über das politische Chaos, das den Nährboden für weitere Erfolge für die Populisten darstellt.

Das Magazin „Cicero“ hat es schon ganz richtig geschrieben: „Gelb ist das neue braun“. Und das sollten sich diejenigen überlegen, die nun meinen, dieser diffusen und hoch aggressiven Bewegung hinterher laufen zu müssen.

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