Finnland und Schweden auf dem Weg in die NATO

Bei einem Treffen zwischen Olaf Scholz und den Regierungscheffinnen von Schweden und Finnland sagte der Bundeskanzler beiden Ländern Unterstützung bei der Aufnahme in die NATO zu.

Im "Winterkrieg 39/40" musste sich Finnland zuletzt eines russischen Angriffs erwehren. Foto: Finnish Defence Forces / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die Sicherheits-Architektur in ganz Europa ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in ihren Grundfesten erschüttert. Dies betrifft nicht nur die Länder Zentral- und Osteuropas, wie natürlich die Ukraine, aber auch Polen, Moldavien, Georgien, Estland, Lettland und Litauen, sondern auch Finnland und Schweden, wobei Finnland eine lange Landgrenze zu Russland hat, Schweden eine Seegrenze über die Ostsee. Angesichts der russischen Aggression wollen sowohl Finnland, als auch Schweden, so schnell wie möglich in die NATO, die Abstimmungen in den jeweiligen Parlamenten stehen kurz bevor. Bei einem Besuch der beiden Regierungscheffinnen, der Finnin Sanna Marin und der Schwedin Magdalena Andersson auf Schloss Meseberg, sagte Bundeskanzler Scholz Unterstützung bei der Aufnahmeprozedur beider Staaten in das nordatlantische Verteidigungsbündnis zu. Und Moskau droht mit Konsequenzen.

Dass die traditionell neutralen Finnen und Schweden nun das dringende Bedürfnis haben, sich unter den Schutz der NATO zu stellen, ist nicht etwa, wie die russische Propaganda sagt, eine „Bedrohung Russlands“, sondern das Ergebnis dessen, dass Russland mit seinem brutalen Krieg nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa und letztlich die Welt angreift und weiter bedroht. Das Narrativ des sich vor der NATO fürchtenden Russlands wird inzwischen lächerlich, doch muss man die Drohungen Putins, dass ein NATO-Beitritt der beiden skandinavischen Länder „Konsequenzen“ habe, ernstnehmen.

Es könnte nun genau das passieren, was Putin angeblich vermeiden will, nämlich dass durch einen NATO-Beitritt Finnlands plötzlich eine 1300 km lange Landgrenze zwischen Russland und einem NATO-Staat entsteht. Dass Finnland und Schweden nun in die NATO streben, ist ein ebenso großer Bruch mit Grundprinzipien wie die deutsche Lieferung von Waffen in ein Kriegsgebiet. Doch die Sicherheits-Architektur in Europa ist durch den russischen Angriffskrieg komplett aufgelöst worden und die skandinavischen Länder, die davon ausgingen, dass ihre traditionelle Neutralität respektiert würde, müssen nun ebenso umdenken wie die anderen europäischen Länder auch.

Dabei muss man berücksichtigen, dass die Geschichte zwischen Finnland und Russland stark belastet ist. Von 1809 bis 1917 war Finnland Bestandteil des russischen Zarenreichs, zwar mit einer gewissen Autonomie ausgestattet, aber eben Teil Russlands. Nachdem sich Finnland 1917 unabhängig erklärt hatte, erkannte Lenin 1918 diese Unabhängigkeit an, da er die geographische Nähe Finnlands zu Sankt Petersburg / Leningrad nicht als Bedrohung Russlands betrachtete. Das änderte sich allerdings 1939, als Stalin die Lage genau andersherum betrachtete und den „Winterkrieg 39/40“ auslöste, der mit dem „Moskauer Frieden“ 1940 endete, wobei Finnland zwar seine staatliche Unabhängigkeit bewahrte, allerdings große Teile Kareliens an Russland abtreten musste. Die Geschichte zwischen beiden Ländern ist also historisch belastet, das Vertrauen Finnlands in Russland ist mehr als gering.

Dass Moskau angesichts der Perspektive eines NATO-Beitritts Finnlands und Schwedens heftige Drohungen ausstößt, ist in Skandinavien deutlich vermerkt worden. Und dass man sich dort, ebenso wie anderswo in Europa, ernsthaft Sorgen vor einem russischen Angriff macht, ist mehr als nachvollziehbar, vor allem, wenn man den politischen und militärischen Amoklauf des Kreml-Chefs berücksichtigt. Dass sich die bevölkerungsarmen Länder Finnland und Schweden über eine NATO-Mitgliedschaft den Schutz vor einem russischen Angriff sichern wollen, ist mehr als verständlich, sie stehen da in einer Linie mit den baltischen Staaten, die natürlich befürchten, dass Putin auch dort das Rad der Geschichte so zurückdrehen will wie in der Ukraine.

Auf der anderen Seite wird Putin einen NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens erneut als „Bedrohung“ bejammern, wobei die russische Führung geflissentlich übersieht, dass die einzige Bedrohung Europas und der Welt momentan von ihr selbst ausgeht. Das Schlimmste daran ist, dass das permanente Drohgehabe des Kremls den Weg an den Verhandlungstisch immer schwieriger gestaltet, wobei auch deutlich wird, dass Putin im Grunde gar nicht verhandeln will. Die russische Führung hat sich in eine politische und diplomatische Sackgasse manövriert, aus der sie nun nicht mehr herausfindet. Doch so, wie die Entwicklung momentan verläuft, gibt es keine Alternative zum NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens, auch, wenn dies eine neue Eskalationsstufe im Konflikt Ost-West bedeutet. Die Verantwortung hierfür trägt ein Mann: Wladimir Putin.

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