Frankreich bereitet sich auf den Bürgerkrieg vor

Statt gemeinsam dafür zu sorgen, dass es nicht zum Bürgerkrieg kommt, gießen alle Beteiligten munter Öl ins Feuer: die „Gelbwesten“, die Regierung, die Parteien, alle.

Es herrscht eine aufgeregte Vorfreude auf das Wochenende in Frankreich - offenbar haben alle richtig Lust drauf, dass es kracht... Foto: Sascha Kohlmann / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Will Frankreich der Welt unbedingt das Spektakel einer Neuauflage der Französischen Revolution 1789 präsentieren? Genau danach sieht es aus, denn 24 Stunden vor den befürchteten Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Paris, die im Vergleich zu den Tumulten vom letzten Wochenende noch deutlich härter werden dürften, arbeiten weiterhin alle fleißig daran, dass sich die Situation nicht beruhigt, sondern möglichst weiter angeheizt wird.

Die schlimmsten Brandstifter sind, neben den „Gelbwesten“, deren „Kriegserklärungen“ inzwischen klar und deutlich sind und auch nicht dadurch besser werden, dass angeheiterte „Gelbwesten“ vor den Kameras behaupten, sie seien eine „friedliche Bewegung“, sind die politischen Parteien. Neben den extremistischen Parteien „Rassemblement National“ (dem umgetauften Front National) der rechtsextremen Marine Le Pen und der linksextremen „La France Insoumise“ von Jean-Luc Melenchon, deren Lust an Chaos und am Untergang offenkundig ist, sind die Sozialisten (PS) und die Konservativen (Les Républicains) besonders aktiv, wenn es darum geht, das Land ins Unglück zu stürzen.

Dabei waren es die „PS“ und die „Les Républicains“ (LR), die mit den beiden letzten Präsidenten Hollande und Sarkozy dafür gesorgt hatten, dass die heutige Situation entsteht. Inzwischen sind sowohl die PS als auch die LR gelber als gelb, ja, wenn man ihnen zuhört, dann waren sie immer schon gelb und folglich schleimen sie sich bei den „Gelbwesten“ ein, dass eine Nacktschnecke ihre Freude daran hätte.

Es entstehen inzwischen die seltsamsten Koalitionen. So haben „La France insousmise“, die PS und die Grünen einen Misstrauensantrag gegen die Regierung im Parlament eingereicht und scheinen dabei gar nicht zu merken, dass sie lediglich den Weg für eine sofortige Machtübernahme durch Marine Le Pen und ihre neo-nationalistische, xenophobe und europafeindliche rechtsextreme Partei frei machen.

Die „Gelbwesten“ rufen geschlossen zur Demonstration in Paris auf, wobei auffällt, dass sich ihre „Appelle an die Vernunft“ ausschließlich an die Politik richten – doch hört und liest man praktisch nirgendwo, dass die „Gelbwesten“ ihre Kolleginnen und Kollegen zur Gewaltlosigkeit auffordern, sondern im Gegenteil, man liest zahlreiche Aufrufe, „bewaffnet“ nach Paris zu kommen. Und dort möglichst den Präsidentenpalast zu stürmen.

Die Regierung wiederum ist mittlerweile in heller Panik und es wird immer deutlicher, dass weder Präsident Macron, noch Premierminister Philippe das Format haben, Frankreich durch eine solche Krise zu führen. In einem Moment, in dem mehr Qualitäten als nur leere Worthülsen und Phrasendrescherei gefordert sind, zeigt sich, dass die aktuelle Regierung konzeptlos ist, nur noch reagiert (und das noch nicht einmal sehr geschickt) und dass selbst zwischen Präsident Macron und seinem Premierminister Philippe die Kommunikation nicht mehr klappt. Der eine kündigt panisch „Maßnahmen“ an, die der jeweils andere kurz darauf als ungültig erklärt. Und als Sahnehäubchen beeilte sich Präsident Macron in einer seiner seltenen Stellungnahmen zu erklären, dass er die “Reichensteuer” ISF auf keinen Fall wieder einführen will. Es ist fast ein wenig so, als wolle Macron seine Absetzung mit allen Mitteln provozieren.

Nur, was soll eine Regierung machen, die sich Forderungen stellen muss, um die es bei dieser Revolte schon gar nicht mehr geht? Inzwischen ist klar, dass die „Gelbwesten“ nichts anderes als eine „Volksdiktatur“ einführen wollen, eine Art moderne Räterepublik mit einem Marionetten-Parlament, das in der Vorstellung der „Gelbwesten“ eine Art besseres Sekretariat für eine „Referendum-Demokratie“ werden soll. Doch werden Frankreich und die Franzosen mit dieser Art des institutionalisierten Populismus kaum besser dastehen als vorher – es wird Jahre und Jahrzehnte dauern, die tiefen Risse quer durch die französische Gesellschaft zu kitten.

Und wer ruft zu Ruhe, Mäßigung und Dialog auf? Wer tut alles, damit es nicht zu einem Bürgerkrieg kommt? Niemand. Das, was Friedrich Sieburg 1954 über die Deutschen schrieb, trifft 2018 auf die Franzosen zu. In seinem Buch „Die Lust am Untergang“ schrieb er im Kapitel „Die chronische Sehnsucht nach der Apokalypse“: „Wir Deutsche malen am liebsten schwarz. Wenn uns im Augenblick keine Katastrophe heimsucht, dann sehen wir eine kommen. Wir können, so scheint es, ohne die apokalyptischen Ängste nicht existieren“.

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