Frankreich bereitet sich auf die nächste heiße Woche vor

Am Dienstag, den 31. Januar, ist der nächste Streik- und Demonstrationstag in Frankreich. Inzwischen wird nicht mehr nur gegen die geplante Rentenreform demonstriert.

Bereits am 19. Januar war die Mobilisierung der Franzosen beeindruckend. Und am Dienstag? Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Gehen am Dienstag wieder 1 oder 1,5 oder 2 Millionen Menschen auf die Straße, um trotz niedriger Temperaturen ihrer Sorge und ihrem Unmut Luft zu machen? Inzwischen geht es bei den gewaltigen Demonstrationen und Streiks nicht mehr nur gegen die von einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Franzosen abgelehnte Rentenreform, sondern auch gegen eine Regierung, deren Arroganz gegenüber der Bevölkerung für viele unerträglich geworden ist. Die Frage ist, wie lange das Armdrücken zwischen Bevölkerung und einer Regierung, von der kaum noch jemand das Gefühl hat, dass sie weiß, was sie tut, noch weitergehen kann.

Die Gewerkschaften operieren in seltener Einigkeit und die Regierung täuscht sich, wenn sie glaubt, den immer weiter wachsenden Zorn in der Bevölkerung einfach aussitzen zu können. Die „Macronie“ hat den Bogen überspannt und dass sie nun versucht, eine zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt nötige Rentenreform gegen den erklärten Willen der Bevölkerung und undemokratisch vorbei am Parlament durchzuboxen, ist wieder ein politischer Fehler einer Regierung, die versucht, das „Schiff Frankreich“ durch den Nebel zu improvisieren, den sie selbst verursacht hat.

Nun ist es ja nicht unbedingt so, dass man in anderen Ländern „bessere“ Regierungen gewählt hätte. Doch der Unterschied zur „Macronie“ liegt darin, dass man in Ländern wie Deutschland oder Italien den Regierenden ihr Versagen verzeiht, da man nicht das Gefühl hat, die dort Regierenden würden GEGEN ihre Bevölkerung arbeiten, und genau das ist in Frankreich der Fall. Abgesehen von einer Handvoll Gläubiger, die wie Sektenmitglieder hinter Macron herstolpern, nimmt niemand diesen Präsidenten sonderlich ernst, nachdem er in den bisherigen sechs Jahren seiner Amtszeit eigentlich nur viel Schaum geschlagen hat.

Und nun ist die große Frage, was am Dienstag passiert. Vorsorglich hat die Regierung durch ihre „Regierungschefin“ Elisabeth Borne (die faktisch nicht viel mehr als Macron’s Regierungssprecherin ist) verkünden lassen, dass es keine Kompromisse und keine Änderung am Fahrplan für diese Rentenreform geben würde. Hätte es noch etwas gebraucht, um vor dem Dienstag die Franzosen zu mobilisieren, sich an Streiks und Demonstrationen zu beteiligen, so haben Macron / Borne dies geliefert.

Wie wirksam der Streik vom 19. Januar war, zeigen bereits die Zahlen. Je nach Schätzung lag die Zahl der Teilnehmer zwischen 1,2 und 2 Millionen Teilnehmern, fast die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer beteiligte sich an Streik und Demonstrationen, der Zugverkehr stand teilweise völlig still, das Land war gelähmt. Am Dienstag kommt dann auch zum Tragen, dass erneut die Raffinerien und Kraftstoff-Verteilzentren bestreikt werden, was innerhalb kürzester Zeit Benzin und Diesel wieder zur Bückware machen wird und ein Ende dieser Auseinandersetzung zwischen Regierung und Bevölkerung ist nicht abzusehen. Dafür aber eine weitere Eskalation.

Diese Entwicklung wirft auch grundsätzliche Fragen zur zentralistischen, neofeudalen Amtsführung eines „demokratischen“ Präsidenten auf. Macron herrscht über die Franzosen wie ein König und verspürt offenbar Freude dabei, seinen Landleuten Dinge zu diktieren, die sie mit großer Mehrheit ablehnen. Doch kann es langfristig funktionieren, wenn ein Präsident, der sich offenbar nur wenig für seine Landleute und deren Probleme interessiert, im Stile eines Autokraten regiert? Werden sich die Franzosen gegen diese anachronistische Art der Politik auf die Hinterfüsse stellen? Am 19. Januar konnte man dieses Gefühl bekommen, wenn man die Hunderttausenden, ja Millionen Demonstranten sah, die von der Überzeugung geeint wurden, dass sie sich und das Land gegen diesen Präsidenten und diese Regierung verteidigen müssen.

Die Pariser Salon-Demokratie ist am Ende und liegt in den letzten Zuckungen. Doch ist gerade ein angeschlagenes System besonders gefährlich, wenn die Wut der Bevölkerung hohe Wellen schlägt und beide Seiten meinen, sich gegen die jeweils andere Seite schützen zu müssen.

Man kann Frankreich nur wünschen, dass es bei den Demonstrationen nicht zu Opfern kommt, gleich auf welcher Seite. Denn sollte diese Protestbewegung Menschenleben kosten, würden Dämme brechen und die Lage wäre kaum noch beherrschbar. Angesichts der zahllosen Krisen der Welt kann man sich nur wundern, dass der französischen Regierung und vor allem ihrem „Sonnenkönig“ nichts anderes einfällt, als eine derartige Auseinandersetzung mit der eigenen Bevölkerung zu sichen. Die Woche wird, einmal mehr, richtig spannend werden…

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