Fluctuat nec mergitur

Die Kathedrale Notre Dame de Paris ist weitgehend abgebrannt und das trifft Frankreich, aber auch den Rest der Welt ins Herz. 1000 Jahre Geschichte steckten in diesen Mauern – der Schock ist groß.

Der Wiederaufbau wird lange, lange Jahre dauern... Foto: ScS EJ

(KL) – Das letzte Mal, dass die Welt „Feuer im Nordturm“ hörte, war am 11. September 2001 in New York, beim Anschlag auf die Türme des World Trade Center. Gestern Abend hörte man diesen Satz erneut, in Paris, nachdem in der Kathedrale Notre Dame de Paris ein Feuer ausgebrochen war, das innerhalb kürzester Zeit solche Ausmaße annahm, dass dieses Wahrzeichen Frankreichs fast vollständig ausbrannte. Natürlich kann und darf man diese beiden schlimmen Ereignisse nicht mit einander vergleichen, doch die Bilder aus Paris haben sich genauso in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt wie andere traumatisierende Ereignisse.

Gestern Abend wollte Emmanuel Macron eigentlich seinen Landsleuten mitteilen, mit welchen Maßnahmen er nach fünf Monaten der sozialen Unruhen die Lage im Land beruhigen will. Um 20 Uhr sollte seine zuvor aufgezeichnete Ansprache auf fast allen TV-Sendern ausgestrahlt werden, doch so weit kam es gar nicht erst. Denn um 18h50 brach ein riesiger Brand in der vielleicht berühmtesten Kirche der Welt aus. Klar, dass in einem solchen Moment keine politische Ansprache ausgestrahlt werden konnte. Aber langsam bekommt man das Gefühl, als bliebe den Franzosen momentan wirklich nichts, aber auch gar nichts erspart.

Die 1163 erbaute Kathedrale Notre Dame de Paris, das ist die von genialen Baumeistern in Stein gemeißelte Geschichte Frankreichs. Hier wurde 1804 Napoleon I. zum Kaiser gekrönt, hier fanden die Trauerfeiern für die Präsidenten De Gaulle, Pompidou und Mitterand statt. Notre Dame hat die Nazi-Besatzung überstanden, die Französische Revolution erlebt (schräg gegenüber, in der Concièrgerie, wartete damals die Kaiserin auf ihre Enthauptung…), Kaiser und Könige kommen und gehen sehen und die ganze Geschichte Frankreichs in ihre Mauern eingeatmet. Mit dieser Kathedrale hat jeder Franzose und jede Französin eine ganz eigene Geschichte – und nicht nur die Franzosen. Mit 13 bis 14 Millionen Besuchern aus aller Welt ist die Kathedrale Notre Dame de Paris eines der meistbesuchten Monumente der Welt. Wer ist noch nicht über den Vorplatz von Notre Dame geschlendert, wer hat noch nicht an der Seine gesessen und den Blick auf diese wunderschöne Kirche genossen?

„Da brennt ein Stück von jedem von uns“, kommentierten gestern unisono Politiker aller Couleur und so fühlt es sich in Frankreich auch an. Dieses Land, in dem die Symbole der Nation so wichtig sind, ist ins Mark getroffen. Frankreich erlebt gerade eine traumatisierende, schwarze Serie. Erst vor wenigen Wochen wurde der Arc de Triomphe von Demonstranten gestürmt und verwüstet und jetzt das. Frankreich kommt nicht nur Ruhe. Und das ausgerechnet an dem Abend, an dem Präsident Macron versuchen wollte, das Land zu befrieden.

Doch was genau ist passiert? Die Polizei privilegiert die Theorie eines technischen Unfalls bei den gerade stattfindenden Renovierungsarbeiten, auch wenn der Chef der Baufirma angab, dass sich zum Zeitpunkt des Brandausbruchs kein Arbeiter mehr auf der Baustelle befand. Die Ermittlung wird zeigen, wodurch der Brand tatsächlich ausgelöst wurde. Der Dachstuhl, der offenbar zu den wenigen Originalteilen gehörte und aus dem Jahr 1220 stammen soll, brannte völlig aus, das Dach brach ein und dann nahm dieser vernichtende Brand seinen Lauf.

Die Kathedrale Notre Dame de Paris ist nicht nur ein französisches Symbol, diese Kirche ist, wie Angela Merkel und andere ganz richtig sagten, ein europäisches Symbol und Teil des Weltkulturerbes. Eines ist heute bereits klar – diese Kathedrale muss wieder aufgebaut werden. Was Präsident Macron gestern Abend vor Ort auch gleich versprach. Sollte diese nationale Katastrophe am Ende die Möglichkeit eröffnen, die französische Gesellschaft wieder zu einen? In der Osterwoche?

Nun wäre es richtig und wichtig, dass Europa Frankreich in einem so schwierigen Moment nicht alleine lässt, sondern sich aktiv und finanziell am Wiederaufbau beteiligt. In vielen europäischen Städten gibt es Dombauhütten mit ausgewiesenen Experten und wenn es möglich war, den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche zu finanzieren, dann muss dies auch für die Kathedrale Notre Dame de Paris möglich sein. Und es wird möglich sein.

Fluctuat, nec mergitur – sie schwimmt, aber sie geht nicht unter. So lautet das Motto der Stadt Paris und selten traf es mehr zu als heute. Jetzt ist europäische Solidarität gefragt. Bauen wir alle zusammen dieses Symbol unserer Welt wieder auf, zeigen wir den Franzosen, dass „Europa“ mehr als nur ein Wort ist!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste