Frankreich erfindet die „Parlamentarische Monarchie 2.0“

Die „Demokratie“ ist ein Konzept, das in der französischen Politik abgeschafft worden ist. Stattdessen herrscht ein neofeudaler Präsident, der tut und lässt, was ihm gefällt.

Wieso, zum Teufel, gibt es nicht in jeder Stadt Frankreichs ein solches Denkmal von Macron? Verdient hätte er es doch! Foto: Guillaume Speurt from Tallinn, Estonia / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – So, jetzt reicht es Präsident Macron aber. Permanent wird demonstriert, protestiert und gestreikt und da sich diese Proteste bereits in Randbereichen zur Majestätsbeleidigung befinden, lässt er nun seine Prätorianergarden los, die offensichtlich Befehl haben, möglichst brutal gegen Demonstranten, Journalisten und anderes Gesocks vorzugehen. Die Massenverhaftungen ähneln zwar denjenigen, die Macron in anderen Ländern immer wieder mutig anprangert, doch mittlerweile stehen selbst der französische Richterbund und die Anwaltskammer auf den Hinterfüssen und fordern den Monarchen auf, bitte nicht länger die Pfeiler der Demokratie zu vermischen und zu mißbrauchen. Dies wird allerdings keine großen Folgen haben, denn in der „Macronie“ haben Konzepte wie „Demokratie“ eben keinen Platz mehr.

Immerhin haben die Pseudo-Debatten in Senat und Assemblée Nationale den Franzosen erlaubt, ihre aktuelle Regierung besser kennenzulernen. Denn seit Macron an der Macht ist, musste er fast 30 Mal Minister und Staatssekretäre wegen verschiedener Skandale entlassen, ein einsamer und trauriger Rekord in der V. Republik. Doch der rasend schnelle Wechsel von Ministern in der Regierung führt dazu, dass heute fast nur noch Ersatzleute von Ersatzleuten auf den Ministersesseln sitzen, frühere Hinterbänkler, die große Schwierigkeiten haben, sich vor Publikum zu artikulieren. Doch die meisten der traurigen Gestalten, die da im Parlament ihre Beleidigungen in Richtung Opposition kreischten, werden vermutlich auch demnächst wieder von der Bildfläche verschwinden, denn nichts deutet darauf hin, dass die Skandalserie dieser Regierung irgendwann zum Ende kommt.

In einer Parlamentarischen Monarchie, und diese Staatsform gibt es in der Tat in vielen Ländern, beispielsweise in den Niederlanden oder in Großbritannien, ist das nominelle Staatsoberhaupt eine Art besserer Grüßonkel, der allerdings nicht in die Politik eingreift, die vom demokratisch gewählten Parlament geführt wird. In der von Macron erfundenen „Parlamentarischen Monarchie 2.0“ ist das anders. Hier entscheidet einzig und allein der Monarch und die demokratischen Instanzen werden nur bemüht, wenn sich der Monarch sicher sein kann, dass diese mehrheitlich für seine Politik stimmen. Besteht ein Zweifel an den Mehrheiten, entscheidet in der „Parlamentarischen Monarchie 2.0“ nur der Monarch, denn die Meinung der gewählten Volksvertreter ist ja nicht viel mehr als ein Ärgernis bei der Umsetzung der göttlich inspirierten Politik des Machtinhabers.

Seltsam ist nur, dass dieses System, das es auch in anderen Ländern gibt, in Frankreich so anders gelebt wird. Allerdings ist das für den Monarchen auch sicherer, denn angesichts seiner Bilanz müsste der Mann eigentlich abgewählt werden. 2017 übernahm Macron die Macht in Frankreich und seit 2018, also seit fünf Jahren und nur unterbrochen von den Covid-Lockdowns, versinkt sein Land praktisch jedes Wochenende in einer Orgie der Gewalt und Zerstörung. Auch auf europäischer Ebene, wo er sich nach dem Ausscheiden von Angela Merkel als der „neue starke Mann Europas“ präsentierte, geht nichts mehr. Die Europäische Union ist in einem ähnlich desolaten Zustand wie Frankreich und da versteht man, dass sich Macron nicht unbedingt demokratischen Spielregeln unterwerfen will, denn das wäre riskant.

Fünf Jahre der präsidialen Beleidigungen und Geringschätzungen, fünf Jahre des Chaos in Paris und den Städten Frankreichs, fünf Jahre der einsamen Entscheidungen und das alles nur, weil die Franzosen nach der ersten Amtszeit Macrons mehr Angst vor der Rechtsextremen Marine Le Pen als vor Macron hatten. Doch bis zu den nächsten Wahlen 2027 werden die Franzosen diese Jahre nicht vergessen haben und bereits bei der Europawahl 2024 werden die Macron-Partei und seine konservativen Unterstützer von Horizons, MoDem und LR die Quittung für ihr undemokratisches Verhalten bekommen. Der allgemeine Vertrauensverlust in die Politik wird sich nächstes Jahr durch eine spektakulär geringe Wahlbeteiligung auszeichnen und die genannten Macron-Parteien werden nur noch sehr wenige Angeordnete ins Europäische Parlament entsenden können.

Heute geruht der Monarch, um 13 Uhr in den Nachrichten ein Interview zu geben. Dass er sich dabei an seine Landsleute wendet, kann man eigentlich nicht sagen, denn, was Macron nicht wissen kann, viele seiner Landsleute arbeiten tagsüber. Genau, die Zahnlosen, die nichts sind. Der Plebs, der Pöbel. Und ob der den göttlichen Worten Macrons folgt oder nicht, ist ja egal. Hauptsache, seine Finanzierer und Jünger hören ihn. Die Frage, ob das Modell „Parlamentarische Monarchie 2.0“ tatsächlich ein Erfolgsmodell ist, werden aber die Franzosen an der Wahlurne entscheiden, falls sich noch der eine oder andere an die Wahlurne verirrt. Momentan sind rund 70 % der Franzosen eindeutig gegen die „Parlamentarische Monarchie 2.0“, doch das Beruhigende ist, dass dies überhaupt keine Rolle spielt. Denn das Volk ist nicht mehr der oberste Souverän. Tschüss, Demokratie, war nett mit dir!

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