Frankreich fällt in die September-Depression

Es sind nicht etwa die schlechten Nachrichten, die von allen Seiten auf uns alle einprasseln – ab morgen fällt Frankreich für einen Monat in die alljährliche „Rentrée-Depression“.

Die "Rentrée" betrifft nicht nur Schulkinder, sondern ALLE Franzosen... Foto: GilPe / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das Phänomen gibt es schon so lange es Sommerferien in Frankreich gibt. Am Ende der Sommerferien, zur so genannten „Rentrée“ (von „rentrée des classes“, also dem Beginn des neuen Schuljahrs für Schülerinnen und Schüler), verfällt Frankreich in eine Art Depression, die den ganzen Monat September andauert. Aber abgesehen von einer generell schlechten Laune, die in diesem Monat September im Land herrscht, muss man sich keine größeren Sorgen machen – im Oktober ist wieder alles im Lot und dann bereitet man sich langsam, aber sicher, auf die Feiertag zum Jahresende vor…

Sommerferien gibt es eigentlich schon seit dem Jahr 1231. Papst Gregor IX dekretierte einen Monat Schulunterbrechung, damit die Kinder und Jugendlichen daheim bei den landwirtschaftlichen Arbeiten helfen konnten, bei denen die Mitwirkung des Nachwuchses unerlässlich war. So richtige Ferien, wie wir sie heute kennen, waren das allerdings nicht. Die Kinder und Jugendlichen mussten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schuften und niemand kümmerte sich darum, ob die lieben Kleinen sich in dieser Zeit auch selbst verwirklichten.

Den Durchbruch zu dem, was wir heute als Sommerferien kennen, verdanken die Franzosen – der linken „Front Populaire“, dem Zusammenschluss von drei linken Parteien, dem SFIO (Section Française de l’Internationale Ouvrière), der Parti Radical und der Kommunistischen Partei! Gemeinsam setzten sie 1936 erstmals einen bezahlten Sommerurlaub von 15 Tagen durch, was bei Arbeitgebern massives Zähneknirschen, bei der arbeitenden Bevölkerung großen Jubel auslöste. Doch gleichzeitig mit der Einführung des bezahlten Sommerurlaubs führte Frankreich eben auch die „Rentrée“ mit der damit verbundenen kollektiven Depression ein.

Wie geht man nun in den kommenden Wochen mit schlecht gelaunten Franzosen um, deren Gemütslage durch anderthalb Jahre Pandemie ohnehin schon schlecht genug ist? Ganz einfach – man lässt alles mit ein wenig mehr Ruhe angehen. Französische Geschäftspartner und/oder Mitarbeiter in den kommenden Wochen unnötig zu stressen, bringt gar nichts. Suchen Sie lieber das Gespräch, fragen Sie nach den Reisezielen des Sommers und wie das Wetter war und ob ihr Gesprächspartner im Herbst oder Winter einen weiteren Kurzurlaub plant. Sprechen Sie über Fußball und andere unverfängliche Themen. Und verkneifen Sie sich unnötige Fragen nach den Befindlichkeiten Ihres Gegenübers, wenn Sie unwirsche Antworten vermeiden möchten.

Dies gilt besonders im Umgang mit Behörden und anderen öffentlichen Stellen. Denn Beamte gehören auch in Krisenzeiten zu denjenigen, die sich den längsten Urlaub leisten können und sich dementsprechend schwer tun, wieder so etwas wie einen Arbeitsrhythmus zu finden. Bereits das Abstempeln eines Formulars kann im September einige Tage bis Wochen dauern, was man großmütig übersehen sollte, denn Druckmachen oder sich zu beschweren bringt während der „Rentrée“ überhaupt nichts. Im Gegenteil. Das abzustempelnde Formular könnte glatt „verloren gehen“, wenn Sie zu sehr insistieren…

Also, cool bleiben und einfach auf den Oktober warten. Lassen Sie Ihre französischen Kontakte im September einfach in Ruhe oder laden Sie sie abends zum Essen ein, wobei Sie allerdings alle konfliktbeladenen Themen vermeiden sollten. Ihre französischen Kontakte haben es während der „Rentrée“ schon schwer genug, weswegen man sie nicht unnötig reizen sollte. Und, ach ja, die „Rentrée“ beginnt morgen, am Montag. Und sagen Sie hinterher nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt…

2 Kommentare zu Frankreich fällt in die September-Depression

  1. Ja, sie können einem aber auch wirklich leid tun. Was eine schlimme Situation. Zum Glück arbeiten andere Länder schon vor September, so dass es europäisch gesehen weniger ins Gewicht fällt.

    • Ja, nicht wahr. Diese “rentrée” ist angesichts dessen, was den Menschen gerade weltweit passiert, wirklich schlimm. Aber so blöd es klingt, diese “Rentrée-Lâhmung” ist tatsächlich ein landesweites Phänomen…

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