Frankreich: Jetzt reicht es auch den Ärzten

1100 französische Krankenhaus-Ärzte, darunter 600 Stations-Oberärzte, haben gekündigt. Sie wehren sich dagegen, ihre Krankenhäuser nur nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit zu führen.

1100 französische Krankenhausärzte wehren sich gegen Verhältnisse wie in Chicago - und haben gekündigt. Foto: Thierry Geoffroy / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Am heutigen Donnerstag wird in Frankreich wieder gegen die Rentenreform demonstriert, der Eisenbahnerstreik geht weiter, am Freitag protestieren die Feuerwehrleute, die Anwälte streiken ebenfalls und den Krankenhausärzten reicht es dermaßen, dass nun 1100 von ihnen gekündigt haben. Die Arbeitsbedingungen und die Zustände in den französischen Krankenhäusern sind nicht mehr hinnehmbar.

Fehlendes Personal, endlose Schichten, schlechte Bezahlung, riesige Verantwortung, Schlägereien in den Notaufnahmen, Kostendruck rund um die Uhr – den französischen Krankenhausärzten reicht es. Zwar werden die 1100 Ärzte, die nun gekündigt haben, trotz dieser Kündigung noch weiterarbeiten, denn sie wollen ihre Patienten nicht im Stich lassen, doch werden sie sich zunächst nur auf rein ärztliche Arbeiten beschränken – keine Personalsitzungen, keine Stunden der administrativen Erfassung ihrer Arbeit, keine zusätzlichen Schichten. Das Ziel ist klar – die französischen Krankenhausärzte wollen eine medizinische Versorgung der Bevölkerung, die sich nicht am Haushaltsdruck und den Gewinnerwartungen der Pharma-Hersteller, sondern am Bedarf der Patienten orientiert.

Genau wie in Deutschland gibt es auch in Frankreich inzwischen ein Mehrere-Klassen-System in der Gesundheitsversorgung. Denn angesichts leerer Kassen muss gespart werden und sparen kann man am besten dort, wo niemand gegen die Sparmaßnahmen protestiert – also auf der untersten Stufe des Gesundheitssystems. Nur – die Einsparungen werden auch auf dem Rücken der Ärzte und des Pflegepersonals durchgesetzt. Bei lausiger Bezahlung muss das Krankenhauspersonal teilweise übermenschliche Anstrengungen vollbringen, um eine minimale Versorgung sicherzustellen.

Gleichzeitig verdienen sich die Betreiber privater Kliniken und vor allem die Pharmahersteller eine goldene Nase. Es kann aber nicht sein, dass die medizinische Grundversorgung des Bevölkerung eines reichen Industriestaats rein nach betriebswirtschaftlichen Aspekten organisiert wird. Denn das führt zwangsläufig dazu, dass diese Grundversorgung nur noch mangelhaft ist und sich nur noch Reiche eine anständige medizinische Versorgung leisten können. Man sollte anfangen zu überlegen, ob nicht ein Teil der riesigen Gewinne der Pharmahersteller in die Finanzierung des allgemeinen Gesundheitssystems fließen sollte.

Ist das die Gesellschaft, von der wir träumen? Eine Gesellschaft, in der es für Geld alles, ohne Geld aber nichts mehr gibt? Sind es nicht genau diese Ungleichheiten, die gerade ganz Frankreich auf die Straße treiben, da dieses „reich gegen arm“ ein Gesellschaftsmodell ist, das nur noch vom 1 % der richtig Reichen gewollt wird?

Es gibt mittlerweile kaum noch einen Berufsstand im öffentlichen Dienst Frankreichs, der nicht im Ausstand ist. Man würde es sich zu einfach machen, diese Situation alleine der aktuellen Regierung in die Schuhe zu schieben – diese hat das Pech, dass gerade alle Versäumnisse der letzten Jahrzehnte auf einmal explodieren. Doch ist es an der aktuellen Regierung, auf diese sozialen Konflikte zu reagieren und das tut sie bislang nur in sehr bescheidenem Ausmaß, ohne an den strukturellen Problemen etwas zu verändern.

Für Emmanuel Macron wird es nun eng, er wird Lösungen finden müssen. Denn die Streiks und sozialen Auseinandersetzungen im gesamten Öffentlichen Dienst können das Land lahmlegen und in eine Rezession führen, in der es noch schwieriger wird, strukturelle Reformen anzugehen.

Und über allem steht eine Frage, auf die es bislang zu wenige Antworten gibt – welche Art von Gesellschaft wollen wir morgen haben? Denn diejenige, die wir heute haben, hat ausgedient; es stellt sich nur noch die Frage, was danach kommt. Sollte die Regierung diese Frage nicht beantworten wollen oder können, werden die Antworten von der Straße kommen. Und das dürfte alles andere als schön werden.

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