Frankreich leidet an seinen Missbrauchs-Skandalen

Es nimmt kein Ende – nach dem erschütternden Bericht über den Missbrauch in der katholischen Kirche machen jetzt einige der Pariser Eliteschulen negative Schlagzeilen.

Am liebsten würden alle kollektiv wegschauen, aber das geht wohl jetzt nicht mehr... Foto: JLEG21 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Frankreich ist in der Aufarbeitung seiner Missbrauchs-Skandale etwas später dran als die deutschen Nachbarn, dafür ist die Aufarbeitung allerdings noch deutlich schmerzhafter als in Deutschland. Nach dem Bericht einer unabhängigen Kommission geht man von rund 330.000 Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in den Jahren 1950 bis 2020 aus. Und während sich Frankreich fragt, wie man mit dieser Situation umgehen soll, wird der nächste Skandal publik – in einigen Pariser Eliteschulen soll es zu Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Übergriffen und Vergewaltigungen gekommen sein.

Die Duplizität der Ereignisse macht die Situation doppelt schwer. Denn die katholische Kirche und die Pariser Eliteschulen haben eines gemeinsam – sie galten immer als vorbildliche Orte der Ausbildung der französischen Eliten, doch dieses Bild hat einen starken Riss bekommen. Und dazu eine sehr kontroverse gesellschaftliche Debatte ausgelöst.

Natürlich weigern sich viele Katholiken, den fast schon als systematisch zu bezeichnenden Missbrauch in Kirchen und kirchlichen Einrichtungen zuzugeben. Stattdessen weist man mit dem Finger auf andere, Schulen, Sportvereine und andere, doch dieses Leugnen der Praktiken in der katholischen Kirche machen die Situation nicht besser. Das krampfhafte Relativieren der Geschehnisse zeigt nur, dass sich viele Katholiken in Frankreich immer noch weigern, diese Missbrauchsfälle anzuerkennen, was es für die Opfer doppelt schwer macht.

In einigen Pariser Hochschulen, zum Beispiel CentralSupélec, ist der nächste Skandal ausgebrochen. Offensichtlich ist es dort wiederholt zu studentischen Abenden gekommen, bei denen Studentinnen betrunken gemacht und dann vergewaltigt wurden. Nicht ein Fall, nicht 10 Fälle, man spricht von weit über 100 Fällen, ohne dass es die jeweiligen Schulleitungen für nötig gehalten hätten, gegen dieses Treiben vorzugehen. Wie in der katholischen Kirche schaut man lieber anderswo hin. Doch sind die Fälle derart zahlreich und schlimm, dass auch Frankreich nicht um eine Aufarbeitung herumkommen wird.

Doch diese Aufarbeitung wird schwierig. Die französischen Kirchenoberen sträuben sich mit Händen und Füssen gegen jede Neuerung, wie beispielsweise die Forderung, das irdische Recht über das Kirchenrecht zu stellen, wenn es beispielsweise um die Beichte geht, und die Eliteschulen nehmen sicherheitshalber erst einmal gar keine Stellung. Doch aussitzen wird man diese Skandale nicht können, dazu ist ihre Tragweite einfach zu groß.

Nun muss man hoffen, dass es Frankreich gelingt, diese Skandale besser zu managen als das in Deutschland geschehen ist, wo die Kirchenführung die „Salami-Taktik“ angewandt hat, die darin besteht, scheibchenweise das zuzugeben, was man ohnehin lückenlos beweisen kann und alles andere rundherum abzustreiten. Das betrifft zunächst die katholische Kirche. Was die Pariser Eliteschulen angeht, wird man sehen müssen, was passiert. Seit Bekanntwerden der Skandale hüllen sich die Verantwortlichen in Schweigen und das ausgerechnet in Hochschulen, in denen eigentlich auch „Krisen-Kommunikation“ auf dem Lehrplan stehen sollte…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste